Super_Collider - " Raw Digits"

"Uh, Super_Collider, die hab' ich mal live gesehen, was für kaputte Typen, die waren da mit Sicherheit voll druff", verkündete unlängst ein offenbar kundiger und erfahrener Arbeitskollege im Brustton der Überzeugung. Yo, die Pappenheimer lassen grüßen. Cristian Vogel und Jamie Lidell, um die es hier geht, erregten damals Aufsehen mit ihrem Debut "Head On", das eine unkonventionelle Sicht von Techno in Verbindung mit Funk für sich beansprucht.

"Raw Digits" dagegen erscheint in einem gänzlich anderen Licht. Über ein Jahr lang suchten bzw. produzierten Vogel und Lidell in Brighton, Berlin und Barcelona geeignete und passende Soundschnipsel (raw digits), die sie um ein dem modernen R'n'B ähnelndem und komplex anmutendem Soundgerüst herum zusammenfügten. Gothic Rhythm and Blues aus der Sicht der beiden Produzenten von der No-Future Gang aus Brighton. Statt Funk steht jetzt eindeutig mehr Soul im Mittelpunkt des dichten, Formatradio Addicts mit Sicherheit überfordernden Super_Collider Soundkosmos.

Auch Lidells Gesang wurde mehr Platz zur Entfaltung eingeräumt. Und dieser kommt hier voll zur Geltung. Jamie, die neue Souldiva? Zwar ist auch hier der Gesang teilweise etwas bearbeitet, aber man findet keine zerhackten Vocoder Loopsamples wie zuvor. Lidell und Vogel, ein unschlagbares Team, wenn es darum geht, Komplexität, eine aufwendige Produktion und Soul überzeugend unter einen Hut zu bringen. Allein die Tracks "Gravity Rearrangin", "Spillin Visions", "In The Beams" oder "Radianations On The Rise" bergen für meine Begriffe mindestens so viel Chartsappeal wie die etablierten Tränendrüsendrücker aus Pappenheim. Der Vergleich klingt zwar gewagt, aber warum denn nicht. Konzentriert Musik hören, nachdenken und versuchen, das Gehörte nachzuvollziehen, hat noch keinem wirklich geschadet. Ey Mann, ich bin wohl derjenige, der druff ist.