laut.de-Kritik
Im Angesicht der Langeweile.
Review von Franz MauererKollaborationen sind was Schönes! Sie geben einem Künstler die Möglichkeit, neue Elemente in sein Wirken einfließen zu lassen, ohne selbst ganz neue Pfade betreten zu müssen. Und die meisten Künstler, sofern sie nicht mit Kanyeschem Selbstbewusstsein ausgestattet sind, wissen um ihre Schwächen – wenn jemand anders diese ausgleichen kann, was gäbe es Praktischeres?
KT Tunstall und Suzi Quatro mögen so gedacht haben, als sie "Face To Face" angingen: Und das Potenzial war da. KT Tunstall hat schon mehrfach zu Protokoll gegeben, wie sehr Suzi Quatro sie beeinflusst habe. Diese erreichte ihren Zenit "If You Knew Suzi…" zwar nie wieder, überzeugte aber zuletzt zumindest ein Stück weit mit authentischem Rock – wenngleich von der ganz erwartbaren Sorte. KT Tunstall dagegen versuchte zwar, mit ihrer "soul, mind & body"-Trilogie aus alten Girlie-Folk-Pop-Mustern auszubrechen, schien aber immer eine Ecke zu brav dafür. Das schreit doch förmlich danach, dass sich die Schottin und die Wahl-Hamburgerin gegenseitig einen Ruck geben.
Stattdessen schauten sie sich "Face To Face" in die Augen und entdeckten in diesen viel Kitsch und ganz fade Melodien. Suzis Sohn LR Tuckey verantwortet als Produzent ein Album, das vor allem deshalb frustriert, weil die Fähigkeiten der beiden Musikerinnen immer wieder durchscheinen, ohne je wirklich vorzubrechen. Das beginnt schon mit dem Opener "Shine A Light", der einen tollen Beginn versaut für einen faden Power-Refrain. Zur Mitte des Songs kommt dann eine Dynamik zwischen den beiden Sängerinnen auf, bei der man sich absolut sicher ist, dass sie weiterträgt – stattdessen wird sie für einen cheesy Clap-Part abgewürgt. Der Titeltrack beginnt wie ein Cave-Song der 90er (also bravourös) und biegt unvermittelt Richtung Folk-Pop ab, nur um wiederum im Refrain kläglich und verdient zu ersaufen.
"Scars" macht es besser, auch, weil Quatros Bass endlich eine prägende Rolle spielt und vor allem, da der Refrain hier zeigt, was für gute – und unterschiedliche – Sängerinnen die beiden sind. Immer noch etwas bieder und zum Schluss nicht elegant beendet, aber insgesamt eine gute Nummer. "Good Kinda Hot" fällt ebenso ins Töpfchen, so dramatisch hat Tunstall wohl noch nie gerockt. Schweinerock muss man können und das tut Quatro allem Anschein nach wie vor.
"If I Come Home" erdet den Hörer leider im alten Dilemma: Der Song beginnt so cool, dass PJ Harvey vor Neid erblasste, emotional authentisch und souverän steuern die beiden das Boot, das dann am billigen Refrain zerschellt, der leider die ganze zweite Hälfte des Songs bestreitet – zum Haare raufen. "Damage" hört sich nach The BossHoss an (und zwar nicht nach den alten, erträglichen), "Overload" Schunkel-Rock ohne zweite Ebene. "Truth As My Weapon" fehlt es ebenfalls an Tiefgang, der Country-Pop ist schlicht zu seicht. "The Ladies' Room" geht es kaum anders, irgendwie nett, aber aus dem Ohr verschwunden, sobald man den Kopf dreht.
Die stellenweise wunderschöne Ballade "Illusion" verkleben in der zweiten Songhälfte Keyboard-Geigen völlig unnötig. Damit steht der Song symbolisch für die frustrierende Erfahrung, die "Face To Face" für den Hörer bereithält. So viel Potenzial, so viel Handwerk, so viel Erfahrung – so wenig Ertrag.
2 Kommentare
Yup. Leider sehr wahrscheinlich jetzt schon uneinholbar weit vorne auf dem Weg zu "Davon hatte ich mir so viel mehr erhofft als was es dann letztlich wurde" des Jahres.
Ach, seid ihr gemein: Natürlich hat man das alles schon mal gehört - na und? Intellektuelle Tiefe durfte (und musste) man nicht erwarten, dafür bekommt man professionell (und m.E. sympathisch!) serviert, was in beider Genres halt so gemacht wird. Braucht man nicht dringend, ist aber jederzeit gut hörbar - 3 -3,5/5