laut.de-Kritik
Folk und Jazz-Exkurse zwischen Euphorie und roher Gewalt.
Review von Toni HennigDie Swans arbeiten schon seit Längerem mit wechselnden Stammmusikern und Gästen. Dennoch haben sich seit dem 2019er-Album "Leaving Meaning" neben Frontmann Michael Gira Kristof Hahn und Dana Schechter an Steel- und E-Gitarre, Phil Puleo an den Drums, Christopher Pravdica am Bass und Larry Mullins am Keyboard als verlässliche Konstanten erwiesen. Auch E-Gitarrist Norman Westberg gehört nach längerer Zeit wieder fest zur Band.
"Leaving Meaning" stellte zugleich den Beginn einer Art Trilogie dar, die die Musik in etwas zuversichtlichere und hellere Gefilde geführt hat. Die kommt nach dem 2023er-Nachfolger "The Beggar" mit "Birthing" nun zum Abschluss. Es soll das letzte Album der US-Amerikaner mit großem Sound sein. Danach geht es angeblich in deutlich reduzierterer Form weiter.
Schon in "The Healers" zieht die Formation sämtliche Register ihres düsteren, experimentellen Könnens. Die Spanne reicht von ätherischem Ambient über postrockige Klänge, gepaart mit intensiven Gesangs- und Saitenmomenten, bis hin zu einem Mundharmonika-Solo, gefolgt von derben Gewaltausbrüchen.
"I Am A Tower" lässt sich sehr viel Zeit für seinen dunklen Spannungsaufbau, bestehend aus heranbrandenden und abebbenden Gitarren, viel Drumming- und Percussion-Einsatz, schwebenden Chören sowie männlichen und weiblichen Spoken Words. In der zweiten Hälfte dringt das Stück jedoch in geradezu euphorische David Bowie-Sphären vor. Die Gitarrenmelodie erinnert dabei frappierend an den wohl ikonischsten Song des Briten, "Heroes".
Der Titeltrack knüpft von der Atmosphäre her daran an, gewinnt mit flächigen Vocals, einprägsamen Steel- und E-Gitarrenmomenten und wirbelndem Schlagzeug jedoch schneller an Fahrt. In der Mitte geht er in eine folkige Phase über, die sich stark an Giras Nebenprojekt Angels Of Light anlehnt. Jedoch trügt der ruhige Schein. Monotone, zerstörerische Saitenklänge und hämmernde Drums zerreißen am Ende die Stimmung.
Bis hierhin ging kein Song in unter 19 Minuten über die Ziellinie. Da tut die Kompaktheit in der Mitte ganz gut. "Red Yellow" beginnt mit gruselig-märchenhaften Sounds, die an Chris Vrennas Soundtrack zu "American McGee's Alice" denken lassen. Aus melancholisch jaulenden Gitarrentönen und gespenstischem Gesang entwickelt sich aber ein trippiges Stück mit freejazzigen Einschüben, das musikalisch wie der Nachfolger vom "The Seer"-Track "The Seer Returns" anmutet. Gänzlich von ihrer rohen und wütenden Seite präsentieren sich die US-Amerikaner in "Guardian Spirit", das wieder mit Mundharmonika-Klängen aufwartet.
"The Merge" nimmt zu Beginn keine Gefangenen und startet gleich mit einem heftigen Gewaltausbruch. Danach baut sich die Nummer darkjazzig auf, mündet aber nach etwas Kindergebrabbel in einer langen, dronig geprägten Passage, die den Hörer dann doch etwas zu sehr auf die Geduldsprobe stellt. Das getragene, akustische Ende mit Giras warmen Vocals reißt es da auch nicht mehr heraus.
Auch der Closer "(Rope) Away" strotzt nicht gerade vor bahnbrechendem Einfallsreichtum, hält aber mit Saitensounds, die sich immer weiter in die Höhe schrauben, wildem Drumming und engelhaftem weiblichem Backgroundgesang etwas mehr bei Laune. Die wogenden psychedelischen Folk-Klänge und die schon etwas gelassen daherkommende Stimme Michael Giras sorgen schließlich für ein versöhnliches Ende.
Alles in allem legen die Swans gegenüber den Vorgängern wieder eine Schippe Düsternis drauf, ohne anmutige und zuversichtliche Momente zu vernachlässigen. Jedoch sollte man bis auf vermehrt jazzige Einschübe keine Änderungen im Sound erwarten und sich auch auf gewisse Längen einstellen. Ein wenig hat sich das Konzept, kontinuierlich Doppelalben zu liefern, erschöpft, so dass es ganz gut wäre, in Zukunft etwas reduziertere Töne anzuschlagen und vielleicht etwas kompakter zu Werke zu gehen. Die Fans dürfte es aber nicht stören, zumal es auch noch nach Wochen oder Monaten auf der Scheibe immer wieder etwas Neues zu entdecken gibt.
1 Kommentar
Ich freu mich jedenfalls drauf, wenn die Noise-Phase zu Ende geht.
Bin Fan von White Light und The Burning World (obwohl Gira die bekanntlich nicht mag