laut.de-Kritik
Der neue Stern am belgischen Musikhimmel.
Review von Michelle-Marie AumannEs hat zwar eine Weile gedauert, aber nun hat Sylvie Kreusch ihre eigene Stimme gefunden. Nachdem sie auf beiden Warhaus-Alben mitwirkte und 2019 ihre erste EP "Bada Bing! Bada Boom!" veröffentlichte, bot ihr wohl erst die Trennung von Maarten Devoldere (Frontmann von Warhaus und Balthazar) die nötige Inspiration für ein Debütalbum.
Dass ein Beziehungsende die gegensätzlichsten und verwirrendsten Reaktionen hervorrufen kann, beweist sie auf "Montbray" umfänglich: Akzeptanz, Vorwurf, Wut, Beleidigung, Heimsuchung, Neuanfang - you name it, she sings it. Dabei hüllt die Belgierin ihre Emotionen in hypnotisierenden Pop, der mal atmosphärisch, mal tanzbar ausfällt - je nachdem, was besser zu Kopfschütteln über die eigene Naivität, sarkastischen Fragen oder bitteren Vorhaltungen passt.
Herausragende Gesangstechnik sollte man dabei nicht erwarten, wie sie bereits in einem Interview erklärte: "Ich bin nicht die beste Sängerin oder eine professionelle Musikerin ... aber ich versuche, eine gewisse Kraft, ein gewisses Können und eine Geschichte zu finden, indem ich meinem Bauchgefühl folge". Wo es ihrer Stimme an Technik fehlt, macht sie esmit hohem Wiedererkennungwert und freigeistiger Herangehensweise wett.
In "Walk Walk" geht sie schnellen Schrittes voran und lässt die Trennung mit locker geschüttelten Drums und seichter Gitarrenbegleitung hinter sich ("Whenever I breathe out / Feels like I'm losing all your memories / All of our memories"). Wie es ein Kommentar unter dem Musikvideo treffend ausdrückt: "Neuer Song für die Happy-Walk-Playlist."
Ebenfalls auf der ausgelasseneren Seite steht "Let It All Burn" mit scheppernder Percussion und prominenter Bassline. Kein Wunder, simuliert sie damit wahrscheinlich ein Balthazar-Konzert und schlüpft in die Rolle ihres Ex' auf der Bühne. Nach lautem Frauen-Kreischen im Intro lässt sie verlauten, was möglicherweise zu ihrer Trennung führte: "I've heard the noise of / The girls that you've been screwing all along".
Wenig später fordert Kreusch aka Devoldere das weibliche Publikum dazu auf, sich doch bitte in eine Reihe aufzustellen - ein bisschen Ordnung muss sein: "Ladies, ladies, ladies, please be my guest / To whatever I might have left / Now take it easy and get in the line". Da verwundert ihre Schroffheit, die sie ihm entgegenbringt eher weniger ("And you're gonna let it all burn / Always, like the fuck-up you are").
Während "Walk Walk" zur Happy-Walking-Playlist gehört, stapft man zu "All Of Me" in angesäuerter Manier (der eigene Stolz wurde schließlich angekratzt) davon und hält die gerümpfte Nase aber gerade deshalb um so weiter oben. Eine Prise Ironie lässt sich Kreusch auch hier nicht nehmen: "Give me back my dignity / Or why not take it? All of me?" Die virtuose Saxofon-Ansage bewegt leider auch nicht dazu, etwas positiver in die Zukunft zu blicken: "She'd always find a way to feel so shivered inside / You don't keep her this lonely / She's waiting for another little heartbreak tonight".
Im Gegensatz dazu stehen "Falling High", "Shangri-La" und "Wild Love", die das Album mit einer eher ruhigeren Atmosphäre einläuten. Mit ihrem fast schon flüsternden Ton und eleganten Streichern im Hintergrund erinnert Sylvie sich in "Falling High" an die letzten schönen Momenten und stellt dann die bittere Frage "Are we happy now? / Oh we can never go back to the place / Where we promised “forever” [...] / Love is hopeless". Mehr Reminiszenzen folgen in "Shangri-La": Grooviger Rhythmus und eingängige Bassline unterstützen hingehauchte Zeilen wie "My hips swing low / Your hand on my shoulder / Hips slide side-to-side".
"Wild Love" zählt zu den Album-Highlights. Anfangs ist der sprirituell wirkende Song von einem dezentem Synth-Teppich und reduzierten Percussion geprägt. Langsam säuselt Kreusch durch den Song, bis er sich in überlappenden Schichten aus seufzenden Backing Vocals, tragendem Synthesizer und einer für sie untypisch hohen Stimmlage ergießt.
Ordentliches Ex-Freund-Bashing erfordert laut Kreusch auch eine Portion Heimsuchung: "Haunting Melody" kommt mit psychedelisch anmutenden Stimmen daher, die sich wie eine Beschwörung böser Geister anhören. Passend dazu kündigt sie an: "This cheating heart will make you weep / I’m your haunting melody". Mit dem Closer "Who Will Fall (Here Into My Arms)" endet sie auf einer ähnlich enttäuschten Note. "We were fun we were wild / Sticking to the good lie [...] / Love’s a stranger forever" - wenn sie mit der letzten Zeile mal nicht auf das Warhaus-Lied anspielt, das sie und Devoldere vor geraumer Zeit noch zusammen performten.
1 Kommentar
Ja so ist das.