laut.de-Kritik
Minimalismus mit Methode: mehr als nur ein Geheimtipp.
Review von Michael SchuhFuturistisch verfremdete Roboterstimmen neben metallischen Bleepsounds - aaah, just another electronic record.
Falsch! Gleich mit Track 2 machen Tarwater klar, dass ihr Sounduniversum nicht so einfach zu ergründen ist. Eine monotone Erzählerstimme legt sich auf warme Synthieflächen, ruhig und angespannt ist die Stimmung, die einen auf die andächtige Atmosphäre der folgenden vierzig Minuten einstimmt.
"Noon", eines der Highlights der Platte, scheint in seiner ganzen Komplexität um ein schlichtes Piano-Hook herum aufgebaut zu sein, repetitive Strukturen und das Wechselspiel zwischen tonlos männlichem und hauchdünn weiblichem Gesang verstärken den Mantra-Charakter. Auch der gelungene Einsatz von Sitar und Percussion gegen Ende der Nummer lässt die Komposition nicht aus dem Ruder laufen.
Tarwater orientieren sich mit ihrem neuesten Output eindeutig in melodiöse Popregionen und somit weg von Artverwandten wie Tortoise, auch wenn ihr Popverständnis weiterhin dunkle, experimentelle Blüten treibt. Introvertiert statt tanzbar, organisch statt kühl, insgesamt bestechen die 11 Nummern durch eine intensiv-ruhige Anziehungskraft.
Stimmungswechsel bleiben dennoch unberechenbar: Bei "Song Of The Moth" blühen noch Traumlandschaften vor dem inneren Auge, die vom zweiakkordigen "Early Rises" sanft ausgefadet werden, und im Takt mit eintretender Vocoderstimme samt Uhrwerkrhythmus wieder ernstere Assoziationsebenen anpeilen.
Minimalismus mit Methode: der Abschlusstrack "Seven Ways To Fake A Perfect Skin" könnte mit seiner analogen Keyboardmelodie glatt als Coverversion eines New Wave-Klassikers durchgehen. Ein Album, das über die Grenzen des Elektronikbereichs und der Indie-Rockschiene hinweg begeistern wird. Sicherlich mehr als nur ein Geheimtipp.
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