laut.de-Kritik
Es muss ja nicht immer Radiohead sein.
Review von Josef GasteigerStill war Taylor Swift oft: Als ihr Kanye West die Show stahl. Als ihr John Mayer das Herz brach. Als sie für Major-Labels die zu unschuldige Unschuld vom Country-Lande war. 14 verpasste Gelegenheiten, ihrem Unmut Luft zu machen, holt die Sängerin nun nach.
"Speak Now" wird so zur Aufarbeitungstherapie mit akustischen Abschiedsbriefen, Entschuldigungsschreiben, Liebeserklärungen und Beziehungskillern. Mal traurig, oft fröhlich, aber immer Pop, erfreulicherweise von der 20-Jährigen selbst geschrieben. Das (und die Abwesenheit des Dranges, sich immer in Videos die Kleider vom Leib zu reißen) macht Taylor Swift ungemein natürlich.
Welch willkommener Unterschied zu so mancher auf CD gepressten Heißluft von Teenie-Starlets, die von einer Armada externer Songwriter geschrieben wurde. Auch wenn Taylor Swift mit ihren eigenen Kompositionen das musikalische Rad nicht neu erfindet, rollt es besser als erwartet in die Gehörgänge.
Sie präsentiert reduzierte Singer/Songwriter-Gitarrengezupfe ("Last Kiss", "Never Grow Up"), die Power-Balladen ("Enchanted"), die Schunkler ("Dear John") und obligatorische Rocker ("Better than Revenge", "Haunted"). Das Ganze wird mit einer zuckersüßen Melodie getoppt, die in jedem Song gemeine Angriffe auf Ohrwürmer und andere Parasiten startet. Dafür bracht sie nicht einmal mehr die große Country-Keule.
Bis auf "Mean" mit Banjo, Handclaps und Two-Step Groove ließ sie die Cowgirl-Stiefel, Schlapphut und Strohhalm zwischen den Zähnen meist im Schrank. Nur in manchen Momenten sieht der Nashville-Sound zur Tür herein, z.B. wenn eine Geige beherzt hinlangt oder die Slide-Gitarre zu sehr säuselt.
Meist aber erzählt sie über ein lockeres Musikbett in unpeinlichen Texten von Exfreunden, Kollegen und Eltern. Im gemächlichen "Innocent" verzeiht Swift gar Kanye West seinen Bühnenüberfall. "It's okay, life is a tough crowd. 32, and still growin' up now. Who you are is not what you did".
Das ist zwar komplett radiotauglich und bei weitem nicht indie, alternative oder einen Millimeter abseits irgendwelchen Mainstreams. Muss es aber auch nicht. Mit ihren Songs versucht Taylor Swift als sensibles Mädchen von nebenan die Welt zu erklären. Meist für sich selbst, aber auch für die Millionen von Menschen, die in Popmusik auf der Suche nach Kurzweiligkeit, Ablenkung und vor allem Gefühl sind. Es muss ja nicht immer Radiohead sein.
Ohne großen Anspruch bietet "Speak Now" solche Geschichten voller Drama, Kitsch, Liebe und Leid. Davon gibt es zwar reichlich, aber leichte Kost kann mit Taylor Swift durchaus geschmackvoll sein.
10 Kommentare
Die würde ich gerne mal kennenlernen. Sie ist garantiert sehr nett. Ich bin generell sehr froh, dass es noch Sängerinnen gibt, die kein Fleisch-, Fisch-, oder Federkleid tragen um aufzufallen. Die Musik kann man sich auch anhören. 'Ne gute Mischung zwischen Country und Pop. So die Sheryl Crow oder Shania Twain der Jetzt-Zeit.
haben also talentierte songwriter dem mäd'le ein recht gutes album zusammengeschustert. kann man sicher gut mit leben.
Ohne ein Wort der CD gehört zu haben: Anständige Review ohne Polemik oder Heuchlerei. Erfrischend. Und den Satz: "Es muss ja nicht immer Radiohead sein." könnte man auf T-Shirts drucken...
Wir sind also soweit, nicht-ausziehen in Videos als Qualitätsmerkmal anzuführen - irgendwie macht mir das Angst für die Popmusik.
Das eingebettete Video bringt harmloses pop-gedüdel, also nichts wozu man eine Meinung haben müsste.
Tinco, das ist aber schon gefährlich eine solche meinung bei diesem album zu äußern. ^^
ich persönlich finde es klasse:
man erlebt ihre texte wirklich und will sofort bei jedem song mitsingen.
Dass sie weniger country macht als vorher finde ich nicht schlimm--es ist trotzdem super
ich hätte gern mal eine review vom selftitled!