laut.de-Kritik
Zwei neue Songs und 14 echte Klassiker.
Review von Irene WinklerGeradezu kultig kitschig erscheint die symbolträchtige Photoshop-Collage auf dem Cover von "Rule The World". Die Erwartungen an den Inhalt des vorliegenden Best of-Albums sind nach der langen Zeit des Wartens einigermaßen hoch. Fast 13 Jahre war es still um Tears For Fears. Wenn im August die Supermärkte schon Lebkuchen feil bieten, kann man im November die zwei neuen Songs auf der Scheibe auch getrost als Weihnachtspräsent an die alten Fans betrachten.
Ein Blick auf die Trackliste des Albums genügt, um festzustellen: Bei der Auswahl der Songs hat man sich definitiv nicht lumpen lassen. Alle 14 Klassiker waren seinerzeit erfolgreiche Singleauskopplungen mit oberen Chart-Platzierungen. Subjektiv entstand die Sortierung absteigend nach Popularität und auch faktisch startet das Album mit zwei Nummer-eins-Hits. Nach dem titelgebenden "Everybody Wants To Rule The World" und der stadiontauglichen Hymne "Shout", geht der erste der beiden Neuzugänge "I Love You But I'm Lost" sofort in die Vollen. Das gesamte für das Stück vorgesehene synthetische Arrangement fliegt einem in den ersten Sekunden um die Ohren. Nur in den Strophen verringern sich die Tonspuren auf ein paar taktgebende Elemente. Gegen Ende ebbt die Musik fast völlig ab. Kosmisches Hintergrundrauschen trägt den Gesang, bis das gesamte künstliche Ensemble wieder wie ein Feuerwerk aus allen Rohren schießt. Alles in allem: Rund, poppig, eingängig und damit ein ziemlich sicherer Kandidat fürs Radio.
Legendäre Chartbreaker wie "Mad World" und "Sowing The Seeds Of Love" geben sich die Klinke in die Hand. "Advice For The Young At Heart" weckt beim ein oder anderen romantische Erinnerungen. Das heute vollkommen undenkbare und nach synthetischen Turbo-Steeldrums klingende Geklöppel, das bei "Change" zum Einsatz kommt, versetzt endgültig zurück in die 80er.
Gar untypisch eröffnet eine Akustikgitarre den zweiten neuen Song "Stay". Die ohrenscheinlich echte Klampfe weicht aber schon bald dem gewohnten Synthesizer. Verspielte, beinah esoterische Klänge und dezent wummernde Bässe erinnern stellenweise an Enya. Ebenso die konsequent verzögerten gesanglichen Einsätze, die jedes Metronom zur Aufgabe brächten. Was bei "I Believe" in seiner Dezentheit noch als bereicherndes Stilmittel durchgeht, fühlt sich bei "Stay" viel eher nach langgezogenem Kaugummi an. Nichts zum Mitsingen, ungeeignet zum Mitwippen. Vielleicht an einen einsamen Abend passend, an dem man sich bei melancholisch angehauchter Musik gerne mal dem Selbstmitleid ergibt und seinen eigenen Gedanken genauso schwer folgen kann wie Tears For Fears dem Takt ihrer Musik.
"Pale Shelter" richtet die Stimmung. Fast fühlt man sich nach den vorangegangenen, langatmigen viereinhalb Minuten selbst als Tanzmuffel zum rhythmischen Mitschwingen animiert. "Mothers Talk" ist Synth-Pop pur - die Maschine haut schillernde, effektheischende Klänge raus. Wie zum Kontrast folgt "Break It Down Again", das mit dem ungewöhnlich dominanten Schlagzeug schon fast rockballadig daher kommt und bei genauem Hinhören sogar ein paar klitzekleine queenesque Einschläge erkennen lässt. "Raoul And The Kings Of Spain" setzt weniger auf Konserve. Gitarren, Bass und Schlagzeug sind echt. "Closest Thing To Heaven" rundet als softes "Happy Ending" das Album ab.
Insgesamt eine treffliche Auswahl an Liedern, die in ihrer Gesamtheit noch einmal deutlich machen, dass sich Tears For Fears in den fast 36 Jahren Bandgeschichte zu keiner Zeit in eine Schublade stecken ließen.
Roland Orzabal und Curt Smith arbeiten angeblich seit 2013 an neuen Songs für ein Album, das 2018 erscheinen soll. Möglicherweise tastet Universal mit diesem Best of den aktuellen Marktwert der Band ab.
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