laut.de-Kritik
Synthie-Pop mit Dubstep-Beats: Sehr cleveres Debüt.
Review von Philipp SchiedelEnde November 2008 standen Telepathe etwas verloren auf der Bühne des Berliner Clubs West Germany. Vor ihnen etwa hundert Leute, die angezogen vom knackigen Hit "Chrome's On It" den Weg nach Kreuzberg fanden und dort ein überbrodelndes Spektakel erwarteten. Doch nichts dergleichen passierte. Völlig blutleer gaben die beiden New Yorkerinnen hinter Telepathe eine etwas zu zaghafte Vorstellung ab, die einige sicherlich mit dem Gedanken des One-Hit-Underground-Wonders nach Hause schickte.
Schüchternheit ist in diesem Business und vor allem in diesen Clubs nicht die beste Strategie. Zum Glück weiß das Telepathe-Debüt "Dance Mother" mit diesem Handicap umzugehen. Die Schüchternheit wird von einem experimentierfreudigen und stilvollen Soundteppich ausgeglichen, der in Zusammenarbeit mit Produzent David Sitek (TV On The Radio) entstand und ordentlich knallt.
Ganze drei Sekunden Anlauf braucht der Opener "So Fine", um den Bass voll aufzudrehen und mit Hilfe des prägnanten Mädchen-Ahahas sofort zu gewinnen. Hoppla, die habens ja tatsächlich drauf. In neun Stücken baumeln die zwei New Yorkerinnen ständig zwischen düsteren Dubstep-Beats und weichen synthetische Elfenflächen. Diesem nur vermeintlich gegensätzlichen Konzept bleiben sie gekonnt treu und geben einer Platte mit den unterschiedlichsten Einflüssen einen großen Rahmen.
Und sei ihr Instrumentarium noch so verwegen und die Clicks noch so schräg: Niemals verlassen Telepathe den Weg des Pops. In einem Interview mit dem amerikanischen Ssssamuel-Blog bezeichnete Melissa Livaudais ihren Mentor David Sitek als einen "Sucker for pop". Wie treffend diese Bezeichnung gewählt ist, zeigen die Melodien ihres Debüts.
Mit voller Absicht setzt es Ohrwürmer, ohne dass man sich dafür schämen müsste. Telepathes Songs explodieren mit dem Popverständnis von Ladytron und der Heimlichtuerei von CocoRosie. Träumerische Einlagen wie "Devil Trident", das fast schon als Spoken Word durchgehen könnte oder das kopfnickende "Lights Go Down", dessen dunkle Bässe zum Anlagen sprengen taugen, legen dar, wie erfrischend heutzutage anspruchsvolle Popmusik klingen kann. Verdammt clevere Platte.
4 Kommentare
nicht nur eine verdammt clevere, sondern auch eine verdammt schöne platte.
eine reinkarnation des guten alten 80s-synthie-pop, der hier in geschickten zitaten aus jedem song herauszuhören ist.
erinnert mich am stärksten an die guten ersten beiden alben von human league aber auch omd, heaven 17 und was sich da sonst noch so tummelte ...
sitek hat seine sache wirklich gut gemacht. viele tracks des albums haben echte ohrwurmqualität.
@ olsen
mit sicherheit nichts für dich
Sehr gute Platte! Ich bin mehr als beeindruckt. Als hätten Au Revoir Simone die frühen Ultravox getroffen.
Und wie ich es schon mal gepostet habe: Nach zweimaligen Hören hatte ich das dringende Bedürfnis meine alten OMD-Platten wieder aus dem Regal zu räumen.
bin gespannt!
Am 5.Mai live bei uns zu Gast.
@buckelfips (« Als hätten Au Revoir Simone die frühen Ultravox getroffen. »):
au ... "au revoir simone" kenne ich nicht. muss/wird aber nachgeholt/werden, da ich den vergleich spannend finde.
omd, human league, heaven 17 ... konsequente fortsetzung