laut.de-Kritik
Da wird einem elektrophonisch zumute.
Review von Franz Mauerer"Yours, Dreamily" war und ist ein sehr gutes Album, das das Rad in keinerlei Richtung neu erfand, sondern Psych- und Bluesrock auf so viele verschiedene, ineinander übergehende und zusammenpassende Arten verknüpfte, dass es eine reine Freude war. Nicht wenige dachten, The Arcs wären 2018 mit Richard Swift gestorben. Auerbach, Michels und ihre beiden Kumpanen Movshon und Steinweiss haben aber anscheinend nie aufgehört, Songs aufzunehmen. Aus den seit 2015 größtenteils noch mit Swift entstandenen, laut Auerbach mindestens 80 Songs, speist sich "Electrophonic Chronic".
Schon auf "Keep On Dreamin'" wird klar, dass The Arcs auf ihrem Zweitwerk den Bandsound nicht komplett umwerfen werden. Das hätte auch verwundert, dient die Band letztlich doch vor allem dem Zweck, Auerbach ein Ventil für seine nicht-The Black Keys-konformen Fantasien zu geben. Gleichzeitig bleibt Auerbach eben Auerbach. Wo er kann, wird er Pathos und Soul mit bluesigem Groove kombinieren, alles andere kommt danach. In diesem Fall rücken Psych und Prog und das ganze Geklitter, das "Yours, Dreamily" auszeichnete, in den Hintergrund. Der Sound wird etwas entschlackt und deutlich Richtung Soul gebogen. Das geht auf dem sehr abgespaceten, traurigen Opener hervorragend auf, nicht zuletzt beamt einen die Gitarre zum Schluss in ferne Galaxien.
Schon "Eyez" zeigt aber das zweite Gesicht dieser Platte, und das war schon einer der wenigen Mäkel des Erstlings, wo es durch die Psychrock-Anteile aber noch übertüncht wurde. Dass sich alles ums Verrecken suave, smooth und nach 70s anhören muss, "angesoult", aber eben kein Soul, sondern Rock mit Soul-Mitteln. Das funktioniert, wenn das Songwriting auf allerhöchstem Niveau verharrt, "Eyez" ist aber nur ein durchschnittlicher Rocksong, der auf einer simplen, souligen Refrainidee beruht. Schnell wird sowas dann sleazy wie ein Wohnmobil, in dem man 1998 tm3 um 00:30 Uhr guckt. "Heaven Is A Place" ist zwei Minuten zu lang und basiert ebenfalls auf einer einzigen, monotonen Idee.
Nach dieser Portion nichts Halbem und nichts Ganzem folgt ein echter Soulsong, der auch so angelegt ist. Der Memphis-Crooner "River" funktioniert besser, weil er einem konsistenten Aufbau folgt und Auerbach sein Gespür für Melodie in diesem schlüssigen Rahmen gekonnter einsetzen kann, als er es in dem von Swift mitgeschriebenen, schrecklichen "Sunshine" kann. Das basiert wiederum auf einer Refrainidee, und ist mit etwas hohlem Gejamme angereichert, bis die Dreiminuten-Marke steht. The Arcs mögen 80 Songs geschrieben haben, zusammen wären das dann aber gerade noch genug Ideen für ein klasse Album gewesen.
"A Man Will Do Wrong" kehrt den Klassiker von Helene Smith um und macht dabei einen guten Job - "Electrophonic Chronic" ist immer dann am besten, wenn Blues und Soul organisch ohne eine konkrete Hook-Idee zusammenfinden, was der rockige Soul von "Behind The Eyes" zu bestätigen scheint. Bei der Klasse der Beteiligten eigentlich kein Wunder. Wer braucht schon den Hit-Refrain, wenn sich eh alles viel besser von alleine findet? "Backstage Mess" und der schmalzersoffene Closer "Only One For Me" sind nicht ernstzunehmen. "Love Doesn't Live Here Anymore" dafür umso mehr, eine schöne Schifferorgel-Orgie und das Highlight eines Albums, das es einem wirklich nicht leicht macht und trotzdem seinen Reiz hat.
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