laut.de-Kritik
Alte Elektro-Säcke noch einmal ganz groß.
Review von Daniel StraubSchaut man sich Bilder des nordenglischen Produzenten-Trios The Black Dog an, könnte man meinen es mit einer Oi-Band zu tun zu haben. Mit Kurzhaarfrisuren und Doc-Martens-Stiefel strahlen Mastermind Ken Downie sowie die Brüder Martin und Richard Dust eine gelebte Working-Class-Attitüde aus.
Das irritiert zunächst, schließlich gelten The Black Dog als Pioniere des UK Techno. Manche halten sie zusammen mit Acts wie Autechre und Aphex Twin gar für die Erfinder der so genannten Intelligent Dance Music (IDM).
Jetzt veröffentlichen The Black Dog mit "Radio Scarecrow" eine neuen Longplayer, der noch einmal zeigt, warum die Sheffielder in den frühen Neunizgern zu den besten Elektronik-Acts (nicht nur auf der Insel) gezählt haben. Bedächtig und mit sehr viel Feingefühl entwickelt das Trio seinen typischen Sound: Eine Mischung aus oldschooligem Breakbeat, trockenem Minimal, futuristischen Detroit-Momenten, extrem niederfrequenten Bassspielereien und hauchzartem Ambient.
All diese Zutaten bringen sie mit den 17 Tracks von "Radio Scarecrow" minutiös auf den Punkt. Man kann die vielen Stunden Studioarbeit, die in dieses Album geflossen sind, von der ersten Minute an förmlich mit Händen greifen. Martin Dust soll hierfür nicht weniger als 67 CDs mit unterschiedlichen Trackabfolgen des Albums in seinem Auto gehabt haben. "Radio Scarecrow" ist ein Album und will auch so angehört werden. "We come from an age group where we like the album to be an experience from start to finish”, sagt Martin Dust.
Den Gefallen tut man den drei älteren Herren gerne. Schließlich verbreiten die Tracks von Beginn an eine anziehende Magie. Zunächst eröffnen mit "Transmission Start" und "Train By The Autobahn Part 1 & 2" wunderbar entrückte und von einer dunklen Vorahnung durchzogene Ambient-Stücke das Album. Danach rückt der Dancefloor stärker in den Blickpunkt. Allerdings nicht auf eine einfältig funktionale Weise wie bei vielen anderen Techno-Produktionen. Fast hat es den Eindruck als sei der Weg für The Black Dog das Ziel.
Drückt der Beat erst einmal richtig nach vorne, ist für die drei Engländer der Moment gekommen, den Track vorsichtig ausklingen zu lassen. Die minutenlang akribisch aufgebaute Spannung löst sich mit einem Schlag in überschwängliche und deepe Tanzenergie auf. "UV Sine", einer der schönsten Tracks des Albums ist ein gutes Beispiel für den Produktionsstil von The Black Dog. Zwischen solche Highlights streuen die Briten immer wieder futuristisch-reduzierte Zwischenspiele im Stile von "...Short Wave Lies" oder "Siiiipher", das wie eine Hommage an Coil und Autechre klingt.
Bei allen 17 Tracks des Albums fällt die absolute Sicherheit und Stimmigkeit auf, mit der die Briten ihre Sounds arrangieren. Nichts beißt sich, alles passt zusammen. Und das sowohl innerhalb der Tracks als auch im Kontext des gesamten Albums.
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