laut.de-Kritik
16 B-Seiten voll dröhnender Bässe und dickem Hammond-Sound.
Review von Jasmin LützGeht es euch nicht auch so, dass ihr die Wörter "80er Jahre" einfach nicht mehr hören könnt? Gut. Dann erinnern wir uns doch jetzt einfach mal an die weitaus besseren 90er Jahre. Man ging unschuldig und ohne jegliche Zukunftsperspektive in die Schule. Man machte die ersten richtigen Erfahrungen mit Drogen, feierte wilde Parties und nahm endlich Abschied vom Grufti-Dasein. Am Wochenende fiel die Entscheidung fast schwer, auf welche Festlichkeit man nun gehen sollte. Und das Wichtigste: die Musik. 1990, das Jahr zum Wohlfühlen mit der neusten Entdeckung aus England: dem Rave.
Pop in seiner schönsten 60s-Verkleidung gemixt mit dröhnenden Bässen. Weit weg von der Neuen Deutschen Welle und Samantha "Touch Me" Fox. Keine hässlichen Neon-Shirts mehr, sondern Trainingsjacken von Adidas. Dauerwelle war eh schon immer schlimm, jetzt trug Junge oder Mädchen pilzkopfartige Schnitte, am liebsten in Schwarz und natürlich very british. Bands, wie die Happy Mondays, The Stone Roses, Inspiral Carpets und die smarten Charlatans aus Manchester machten die 90er bunter und die neue Generation einfach nur glücklich. Und das nicht nur auf der Insel.
Über zehn Jahre sind vergangen und "Songs From The Other Side" heißt nun die aktuelle Compilation. Klar, der Titel macht es deutlich. Hier werden sämtliche, meist unbeachtete B-Seiten zusammen gepresst und teilweise neu gemixt. Gebt der zweiten Seite eine Chance. Der absolute Hit und die erste Single von The Charlatans war "The Only One I Know". Der Song auf der anderen Seite hieß damals "Imperial 109" und beginnt heute als erstes Stück auf dem aktuellen Album der Briten. Instrumental und mit voller Vorfreude gelangen wir zum zweiten Stück "Everything Changed". Spätestens jetzt erhört man die charakteristischen Orgelklänge einer alten Hammond. Orgienreif auch die bombastischen Bassklänge bei der langen Version von "Happen To Die". Melodisch klar und durchaus reizvoll die passende Stimmenbegleitung von Sänger Tim Burgess.
"Feel Flows", ein Instrumental Van Basten Mix. Elektronik vom Feinsten. Rave On. Von Hymnen wie "Back Room Window" oder "Green Flashing Eyes" können sich so einige Gallaghers eine Scheibe abschneiden. Zwar kommen die Brüder aus der selben Stadt wie die Charlatans, aber gegen diesen Hammond-Sound und die enorme Basskraft kommen keine Oasis-Rocker an. Auch die Chemical Brothers beweisen ihre Liebe zum Manchester-Rave Marke Charlatans. "Nine Acre Dust" heißt der Remix. Die Single erschien 1995 auf der Rückseite von "Just When You're Thinkin' Things Over" und geht heute besser ab, als je zuvor.
Insgesamt 16 B-Seiten gibt es auf "Songs From The Other Side". Daran erkennt man schon, dass The Charlatans einige Singleauskopplungen hatten und vor allem in England die Charts eroberten. Ein großes Lob an die "Madchester"-Jungs. Zwar mussten sie einige Tiefschläge einstecken, aber gekonnt halten sie ihre Köpfe über Wasser. Und das schon seit über 10 Jahren. Hoffen wir mal, dass der Regen andauert und das Charlatans-Hochwasser auf sämtlichen Erdteilen bestehen bleibt.
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