laut.de-Kritik

Inbetween: die legendären Goth/Wave-Ikonen zwischen Vergangenheit und Zukunft.

Review von

2018 feierten The Cure 40-jähriges Bühnenjubiläum. Der erste Gig datiert auf 9. Juli 1978 im Live Music Pub 'The Rocket' im südenglischen Crawley. Für die Goth/Wave-Ikonen um Robert Smith der Anlass, die Zeitachse in beide Richtungen zu betrachten. Während der Blick nach vorne gleich drei neue Studioalben verspricht, mündete das Livejubiläum in vorliegenden Konzertfilm, der zwei zentrale Londoner Shows aus dem vergangenen Jahr enthält.

Ob neues Material, wie angekündigt, noch vor Weihnachten in Studioqualität das Licht der Welt erblicken wird, bleibt offen - zwei noch unveröffentlichte Stücke präsentierte Bandchef Smith allerdings schon am 24. Juni 2018 live im Rahmen des von ihm kuratierten Meltdown-Festivals in der Royal Festival Hall ("Curaetion-25"): "It Can Never Be The Same" im "Disintegration"-Tempo stellt ein schönes, verzerrtes Bassthema in den Mittelpunkt. "Step Into The Light" zeigt sich melodieseliger und optimistischer.

Die neuen Songs teilen das insgesamt 28 Tracks starke Set, das alle Studioalben der Band berücksichtigt. An jenem Abend im Juni verzichteten The Cure weitestgehend auf die größten Hits (von "Boys Don't Cry" oder "A Forest" mal abgesehen) und gingen chronologisch vor: Zuerst jeweils einen Song pro Album von "Three Imaginary Boys" (1979) bis "4:13 Dream" (2008), dann in selber Manier wieder zurück bis Ende der Siebziger.

Kein schlechter Schachzug, um eine 40-jährige Livekarriere zu feiern - der Druck, wenn Smith solchen je verspürt haben sollte, sich für einen Song pro Album entscheiden zu müssen, fällt automatisch weg: So kommen von "Wish" (1992) sowohl "From The Edge Of The Deep Green Sea" wie "High" zu Ehren. Hätte man nur Letzteres aufgeführt, hätte der ein oder andere Die Hard-Fan vermutlich die Nase gerümpft.

Gleichzeitig öffnet das Konzept (O-Ton Smith: "Die Idee, von jedem Album Tracks auszuwählen, die die 'D/Evolution' (?) der Band offenbaren") genügend Raum, um Stücke wie "The Last Day Of Summer", "Jupiter Crash" oder "39" zu berücksichtigen, die live selten in vorderster Reihe stehen: "Kiss Me Kiss Me Kiss Me" (1987) ist beispielsweise mit dem eher unbekannten "Like Cockatoos" sowie "If Only Tonight We Could Sleep" vertreten. Von dieser wegweisenden Doppel-LP hätte man sich vielleicht andere Tracks gewünscht - nach gut zweieinhalb Stunden hat man an der Gesamtdramaturgie aber nichts mehr auszusetzen.

"Thank you, see you in a couple of weeks!", ruft Robert am Ende ins jubelnde Auditorium der Royal Albert Hall. Die perfekte Überleitung zum Monumentalgig, den The Cure im Hyde Park absolvierten: Gut zwei Wochen später blickten sie am 7. Juli von der The Great Oak Stage auf ein Heer von 65.000 Menschen. "Anniversary: 1978 - 2018" setzte Langzeitkollaborateur Tim Pope in Szene und lief auch im Kino.

Der Beginn des Konzerts, ins sommerliche Licht des frühen Abends getaucht, passt perfekt: Eine geradezu natürliche Verklärung erfasst die dunkel gestylten, von der untergehenden Sonne geblendeten Bandmitglieder beim Opener "Plainsong". Die Setlist im Hyde Park orientiert sich am gängigen The Cure-Tourprogramm: Hits, ohne die es nicht geht ("Just Like Heaven", "Friday I'm In Love" oder "Lullaby"), und alte Fanfavoriten, die live regelmäßig ausgetauscht oder innerhalb der Setlist verschoben werden ("Play For Today", "Push", "Inbetween Days" oder "10:15 Saturday Night"). Das Set beschließt Smith mit der ersten Cure-Single überhaupt: "Killing An Arab".

Im Doppelpack ergeben die beiden Konzertfilme einen angenehmen Kontrast. "Curaetion-25" zeigt die Band recht ungefiltert bei der Arbeit. Regie führte der Brite Nick Wickham, der bereits "Trilogy" (aufgenommen 2002 im Berliner Tempodrom) verantwortete. Der Sound des vergleichsweise überschaubaren Indoor-Konzerts bleibt angenehm rau, viel nachbearbeitet wurde wohl nicht. Die Kamera rückt recht nahe an die Musiker heran und zitiert zuweilen die Videoästhetik der Vergangenheit ("Boys Don't Cry", "A Strange Day").

Auch Pope führt den Zuschauer mit seinen Kamerafahrten ganz nahe an Robert, Simon Gallup und Co. heran. Zuweilen meint man, man stünde auf der Bühne. Pope liefert angesichts der Open Air-Bedingungen zwar noch ein paar Perspektiven mehr, knüpft aber in der Inszenierung der Band, etwa der Verfremdung des ein oder anderen Bilds und dem Montagerhythmus, an "Curaetion-25" an. Ein Umstand, der beide DVDs nahtlos nacheinander genießen lässt. Der Hyde Park-Sound klingt im Vergleich zur Royal Festival Hall etwas brillanter und komprimierter. Einen transparenten Eindruck (verschiedene Audiooptionen stehen zur Wahl) hinterlassen gleichwohl beide Auftritte.

"Curaetion-25" bleibt der vermeintlich interessantere Mitschnitt. Schaut man sich beide Filme nacheinander an, ist man aber nicht mehr so sicher, welcher Streifen einen mehr berührt. Für den Cure-Fan gibt es in der Weihnachtszeit jedenfalls nichts Besseres. Die Liveschau erscheint auch auf Blue-ray sowie als Deluxe-Box und CD.

Trackliste

DVD 1

  1. 1. Three Imaginary Boys
  2. 2. At Night
  3. 3. Other Voices
  4. 4. A Strange Day
  5. 5. Bananafishbones
  6. 6. A Night Like This
  7. 7. Like Cockatoos
  8. 8. Pictures Of You
  9. 9. High
  10. 10. Jupiter Crash
  11. 11. 39
  12. 12. Us Or Them
  13. 13. It's Over
  14. 14. It Can Never Be The Same
  15. 15. Step Into The Light
  16. 16. The Hungry Ghost
  17. 17. alt.end
  18. 18. The Last Day Of Summer
  19. 19. Want
  20. 20. From The Edge Of The Deep Green Sea
  21. 21. Disintegration
  22. 22. If Only Tonight We Could Sleep
  23. 23. Sinking
  24. 24. Shake Dog Shake
  25. 25. One Hundred Years
  26. 26. Primary
  27. 27. A Forest
  28. 28. Boys Don't Cry

DVD 2

  1. 1. Plainsong
  2. 2. Pictures Of You
  3. 3. High
  4. 4. A Night Like This
  5. 5. The Walk
  6. 6. End Of The World
  7. 7. Lovesong
  8. 8. Push
  9. 9. Inbetween Days
  10. 10. Just Like Heaven
  11. 11. If Only Tonight We Could Sleep
  12. 12. Play For Today
  13. 13. A Forest
  14. 14. Shake Dog Shake
  15. 15. Burn
  16. 16. Fascination Street
  17. 17. Never Enough
  18. 18. From The Edge Of The Deep Green Sea
  19. 19. Disintegration
  20. 20. Lullaby
  21. 21. The Caterpillar
  22. 22. Friday I'm In Love
  23. 23. Close To Me
  24. 24. Why Can't I Be You?
  25. 25. Thanks @ 40
  26. 26. Boys Don't Cry
  27. 27. Jumping Someone Else's Train
  28. 28. Grinding Halt
  29. 29. 10:15 Saturday Night
  30. 30. Killing An Arab

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