laut.de-Kritik
Robert kompiliert ein Zeitdokument für die Fans.
Review von Eberhard DoblerSelbst eine stilprägende Band wie The Cure fällt nicht vom Himmel. Was viele Fans, die in den Synthie-lastigen Post Punk-80ern auf die Band stießen, vielleicht nicht wussten: Robert Smith versteckte unter halblangem Haar und Trenchcoat eine Ader für 70er-Rock - zu entdecken auf einem mit Raritäten (1976-1979) aufgemotzten und digital überarbeiteten Re-Release des Debüts "Three Imaginary Boys". Darauf lieferten die Briten ein stark eigenständiges Cover von Jimi Hendrix' "Foxy Lady" ab (später schaffte es auch "Purple Haze" ins Repertoire).
The Cure setzten das Stück vor einem Vierteljahrhundert in ihrem für die Anfangszeit typischen, drei Mann starken, Punk-infizierten Minimal-Rock um. Gleichzeitig pressten sie aber "Subway Song" auf Platte: unterkühlt, fast bedrohlich. Oder den hypnotischen Klassiker "10:15 Saturday Night", kompromissloses Uptempo ("Grinding Halt", "Object", "It's Not You"), Verschlafenes ("Another Day") und Hook-Verdächtiges ("Fire In Cairo", "Accuracy"). Das eigenständige Profil? Es war zweifellos vorhanden.
Erstaunlich, was sich The Cure nach den Sex Pistols erlaubten: düster rockenden Gitarren-Pop. Die frühen Demos "I Want To Be Old" (mit astreinem Rock-Solo) und "I'm Cold" (beide 1977) hätten eigentlich einen regulären Album-Release verdient gehabt. Roh im Punk verwurzelt bleiben auch "Heroin Face" und besonders "I Just Need Myself" (Januar 1978), in dessen Strophen Smith wie der leibhaftige Johnny Rotten klingt. The Cure rekurrierten auf Punk, intonierten ihn aber früh mit lässigem Pop-Flair, der nicht allen Systemverweigerern gefallen haben dürfte.
Diesen Flair legen kurz darauf die soundtechnisch zu vernachlässigenden Demos "10:15 Saturday Night" (Februar 1978), "Boys Don't Cry" (Mai 1978) sowie später das schleppend ordinäre "World War" frei. "Winter" nimmt im Oktober interessanterweise Cures Phase ab dem dritten Album "Seventeen Seconds" (1980) vorweg: Smith löst sich vom Punk und wendet sich elegischeren Klängen ("Play With Me") zu.
Dass "Boys Don't Cry" und andere Klassiker später nochmals im Studio eingespielt wurden, dafür kann man Gott nur danken. Anders formuliert: "Three Imaginary Boys" stellt in der Doppel-CD-Ausgabe mit 16-seitigem Booklet und 21 Extra-Tracks (davon sechs bisher unveröffentlichte Songs sowie einige unveröffentlichte Demo-Versionen) ein Fan-Ding dar. Mit den genauen Datums-Angaben kompiliert Robert ein echtes Zeitdokument. Die meisten Raritäten muss man zwar nicht kennen, dafür zeichnen sie die Entwicklung der weltberühmten Band im Proberaum nach.
Das gesamte Bild der Minimal-Gitarreros Ende der 70er erhält man zusammen mit der Nachfolge-LP "Boys Don't Cry" (ebenfalls 1979 erschienen). Die Platte featured zwei Drittel der "Three Imaginary Boys"-Songs, fügt aber die Hits "Boys Don't Cry", "Jumping Some Else's Train" (beide liegen auch der Deluxe Edition bei), "Killing An Arab und "Plastic Passion" hinzu. Dafür fehlen "Foxy Lady", "It's Not You", Object" und "Meathook". Wer The Cure nach bald 30 Jahren noch nicht entdeckt hat, kommt an beiden Alben garantiert nicht vorbei.
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