laut.de-Kritik
Robert Smith remixt sich selbst: 38 Songs auf 3 CDs.
Review von Michael SchuhZehn Jahre sind seit dem letzten The Cure-Studioalbum vergangen. Und wer sich daran noch erinnert, würde sich lieber nicht erinnern. "4:13 Dream" zählt leider zu den schwächsten Alben in Robert Smiths hochgradig tadellosem Katalog, was ihn vielleicht seither auch von neuen Aufnahmen abgehalten hat. Gerade feierte seine Band in London ihren 40. Geburtstag beim von ihm kuratierten Meltdown Festival, Cure-Fans wie Deftones, Placebo, Nine Inch Nails, Interpol, Mogwai und Kristin Hersh spielten auf Wunsch des Chefs. Und auch sonst ist Smith ein nostalgischer Mensch, der sich gerne mit seiner Vergangenheit auseinander- oder sie, wie in vorliegendem Fall, neu zusammen setzt.
Bevor 2019 tatsächlich ein neues The-Cure-Studioalbum erscheinen soll, legt Smith mit "Torn Down" 16 neue Remixes bekannter Songs vor, die er in den letzten Jahren fertig gestellt hat. Diese passen natürlich wie angegossen zum neuesten Deluxe-Edition-Projekt, das der exakten Chronologie folgt: 1990 folgte "Mixed Up" auf "Disintegration" (1989), bei den Neuauflagen die nun vorliegende 3-CD-Box auf die letzte Deluxe-Edition des besagten Kultalbums (2010).
Mit Kult hatte "Mixed Up" bei der Erstveröffentlichung 1990 eher wenig am Hut. Fans reagierten bestürzt, als der dank MTV-Dauerrotation von "Lullaby" in sämtlichen Jugendzimmern als Dunkelfürst angesehene Spinnenmann plötzlich auf die Idee kam, Dance-DJs wie Paul Oakenfold zu akquirieren. Ibiza-Rave statt Düster-Wave? Jein: Oakenfolds schwerfällige Beats von "Close To Me (Closer Mix)" entstammten eher dem Hip Hop, was das damalige Hardcore-Publikum aber nicht weniger vergraulte.
In der Rückschau überrascht diese Antipathie ein wenig, zumal Smith gerade mit den "Disintegration"-Songs "Lullaby", "Lovesong", dem Bassmonster "Fascination Street" und vor allem dem 1987er Track "Hot Hot Hot!!!" Extended Mix-Versionen aufs Album knallte, die sich seinerzeit vehement vom oft grenzdebilen 12"-Unsinn vieler 80er-Popbands abgrenzten. Dass Beat-Experimente wie "Pictures of You (Extended Dub Mix)", ähnlich wie "Close To Me (Closer Mix)" mit einer Art Stereo MC's-Überzug versehen, damals blasphemisch gewirkt haben, dürfte heutigen Jugendlichen nicht mal mehr ein Schulterzucken entlocken.
Bereits im August 2017 entstand mit "Three Imaginary Boys" der erste neue Remix für die dritte CD "Torn Down". Smith war begeistert: "Ich nahm ihn zu Hause auseinander und hatte den Remix innerhalb einer Session fertig. Es hat wirklich Spaß gemacht." Anstatt die üblichen Singles auszuwählen, entschied sich der Songwriter für seine Lieblingssongs, was für Fans alleine schon spannend sein dürfte.
Über die Qualität der Umsetzung muss selbstverständlich jeder selbst entscheiden, zumal Smith natürlich unzählige Klassiker seines Katalogs umarrangierte. Besagten Oldie "Three Imaginary Boys" bettet er auf eine sparsam wabernde Elektrospur, schiebt die Zeile "Can you help me?" in den Vordergrund und spielt ein im Original nicht vorhandenes Riff ein. Die Todessehnsucht von "The Drowning Man" hallt als Echo auch aus der synthetischen Neuauflage und den 1996er Track "Want" versieht er mit passenden Streicher-Arrangements.
Das Gros der Neuinterpretationen versprüht dann aber doch God Lives Underwater-Flair: Es rattert und pluckert der Smith'sche Maschinenpark mit all seinen Filterschleifen und heraus kommen elektronische Song-Entwürfe ("M", "Like Cockatoos"), die oftmals an das Cure-Cover des Depeche Mode-Tracks "World In My Eyes" erinnern, das auch schon 20 Jahre alt ist. Da hört man lieber auf den ersten zwei CDs gelungenen Reworks wie "Boys Don't Cry (New Voice Club Mix)" oder "Why Can't I Be You? (Extended Mix)" zu.
Vielleicht wäre das Projekt spannender ausgefallen, hätte Smith die Songs an begabte Techno-Vertreter wie Moderat, Ame, John Tejada oder Pantha du Prince weitergeleitet, aber genau das wollte er nicht. "Torn Down" ist somit seine persönliche Neugestaltung der eigenen Vergangenheit. Auch wenn ich die Originalversion von "Shake Dog Shake" immer noch druckvoller finde und im Gegensatz zu Smith keine Veranlassung für noch mehr Saxofonspuren in "A Night Like This" sehe: Die Vielseitigkeit des Cure-Katalogs belegt die Kollektion allemal.
So könnte man etwa den überflüssigen Mix zu "Lost" als Anlass nehmen, wieder einmal das zu Unrecht untergegangene 2004er Studioalbum "The Cure" zu checken. Neben der CD-Box sind übrigens zwei separate Doppel-LP-Version von "Mixed Up" und "Torn Down" (remastert im Half Speed-Verfahren) erschienen. Als nächste Veröffentlichung wäre die "Wish"-Neuauflage an der Reihe - oder die neue Platte.
4 Kommentare
Desintegration und Pornography werde ich immer in Ehren halten aber bei dieser Remix, Best of, Remix....ka**e mach ich nicht mit ohne Bewertung weil unnötig
War damals schon überflüssig. Und heute noch mehr. Nach "Wish" ist der Funke bei allem Output nicht mehr so recht übergesprungen. Live hingegen vermag der dicke Schmidt immer noch zu überzeugen. Aus der Konserve ziehe ich allerdings die dünne Variante aus den (frühen) 80ern vor.
Da muss ich als Cure-Fan doch etwas korrigierend klugscheissern: die Sause zum 40. Geburtstag war nicht das Melt Down Festival, sondern ist das morgige British Summer Time Festival im Hyde Park. Interpol haben das Melt Down nicht bespielt, treten dafür aber ebenfalls morgen auf. See you there!
Mal so nebenbei:Wieso wird hier eigentlich nicht mal die unfassbare Trilogy besprochen??? DAS war vielleicht ein Erlebnis!!!