laut.de-Kritik
The Rebirth Of Cool.
Review von Steffen EggertMit Punkbands verhält es sich ein wenig wie mit Rotwein. Während einige mehr oder weniger schnell zu ungenießbarem Essig werden, reifen andere zu wirklich edlen Tropfen heran. The Damned gehören ganz eindeutig zu der zweiten Kategorie. Seit annähernd einem halben Jahrhundert frontet Sänger Dave Vanian bereits seine verdammten Mitmusiker. Neben Captains Sensibles unverkennbarer Gitarrenarbeit liegt es vor allem an seiner markanten Stimme, dass die Londoner als eines der besten Überbleibsel der ersten UK-Punkwelle gelten. Dass sie sich von Album zu Album merklich weiter entwickelten, tat sein übriges.
Nach dem durchweg positiv aufgenommenen "Evil Spirits" (2018) erscheint nun das zwölfte Studioalbum "Darkedelic" und hält genau, was der Titel verspricht. Düstere und psychedelische Elemente finden sich seit den 80er Jahren immer wieder in den Kompositionen der Band, aber nie erschienen sie derart betont und konzeptionell.
Lasziv, sleazy, arschcool und beinahe sozusagen aprilfrisch knarzt "The Invisible Man" los, und schnell wird klar, dass weder die Musik der Punker, noch Vanians Organ an Qualität verloren hat. Zart wie Balsam crooned er über die bluesigen Rockriffs, bis sich wie aus dem Nichts das Tempo ändert und sich eine Wolke aus psychedelischem Gewummer und entrückten Sprachsamples verdichtet, nur um wieder am Ausgangspunkt zu landen.
"Bad Weather Girl" beginnt mit Spacesounds, Glockenschlägen, Gewitter und cheesiger 50s-Horrorfilm-Orgel. Der angenehm gruselige Hybrid aus Psychedelic Rock und UK Punk lebt vor allem von den feinen Melodien und der filigranen Bassarbeit. Das fiese Zwischenspiel und das bluesige Solo schaden dabei auch nicht.
Noch mehr Melodien, unverschämt pappige dazu, hält "You're Gonna Realise" bereit. Das superdynamische Punkriff und die dezenten Chöre im Hintergrund tragen die harmonische und glockenklare Gesangslinie. Man hängt dem Herrn Vanian dabei förmlich an den Lippen. Nachdem die Platte einige Male gelaufen ist, ertappt man sich dabei, man die Chorusmelodie weiter vor sich her pfeift. Immer wieder.
Das bedrohliche "Beware Of The Clown" lässt sich als gutes Beispiel heranziehen, wenn es darum geht, den Spannungsbogen im Laufe eines Songs zu halten. Eigentlich nicht viel mehr als punkiger Gothrock mit einer leichten Kinks-Kante, den die älteren Herren aber in den Strophen kaum merklich um andere Soundelemente erweitern. Über allem steht der unnachahmliche Brit-Rock Chorus und der Song mit anderem unter sofortigem Hitverdacht.
Das balladeske "Western Promise" nimmt ein Quäntchen Finsternis aus "Darkedelica" und streut melancholische, fast schon hoffnungsvolle Gefühle. Ein Lovesong der etwas anderen, weil völlig unkitschigen Art, wie emotionales Fernweh. Minimal verzerrte Gitarren, haufenweise Hall und Chöre, wunderbare Melodien - der Song könnte auch problemlos aus den 80ern stammen und wäre in der Nähe von Bands wie Echo And The Bunnymen bestimmt richtig groß geworden. Zum Ende hin ergänzen Baritongitarre und eine Trompete die Szenerie. Wenn man nun die Augen schließt, bilden sich förmlich dunkle, verregnete Straßen in einem Film Noir ab.
Das aufrüttelnde Riff und die gespenstischen Stimmen im Hintergrund von "Wake The Dead" lassen vorerst auch noch keine Farben zu. Besonnen auf die Qualitäten der frühen Alben klingen The Damned wieder wie zu Zeiten von "Strawberries" (1982), nur dass das Timbre in Vanians Stimme weiter gereift zu sein scheint. Ein vernebeltes Intermezzo bringt schließlich bunte Kontrastpunkte, nur um sich kurz darauf in einem glockenhellen Ton und Meeresrauschen aufzulösen und der Düsternis erneut das Tor zu öffnen.
"Follow Me", mit seinen Rockabillysprenkeln und dem breiten Halleffekt auf dem Gesang, könnte der Soundtrack zu einem Road-Movie sein. Bevor die Coolness ins Unermessliche wächst, greifen einige beinahe unpassend fröhliche Melodiebögen ins Geschehen ein, bleiben aber nicht lange genug, um unangenehm aufzufallen. Diese manisch wirkenden Stimmungsschwankungen sind bereits beim zweiten Hördurchlauf des Albums nicht mehr wegzudenken. Die beiden Uptempo-Nummern "Motorcycle Man" und "Girl I'll Stop At Nothing" lassen den typischen Twang-Gitarren von Captain Sensible ihren berechtigten Freiraum. Das Konzept der Melange aus straightem Düsterpunk, spacigem Psychedelic Rock und anspruchsvollen Melodien geht hier vollends auf.
"Leader Of The Gang" klingt wie man sich ein Frühlingserwachen in Transsilvanien vorstellen muss. Im Klangkessel landen zwar abgesehen von ein paar Glam-Streuseln die gleichen Zutaten, aber es wird deutlich beschwingter und fröhlicher umgerührt. Selbst die sonst stets gruselig tönende Orgel klingt happy. Wir bleiben stimmungsmäßig in den Karpaten, wo das vampiresk anmutende "From Your Lips" erneut hitverdächtige Melodiekonstrukte baut und dabei schaurig schöne Romantik streut.
"Roderick", ein theatralisches Pianostück mit Poe-Reminiszenz schließt das Album, nicht ohne sich zum großen Finale mit marschierender Snare und Trompeten zu einem emotionalen, einem Morricone-Soundtrack ähnlichen Finale hochzuschaukeln. Besser kann man ein solches Album nicht zu Ende bringen.
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