laut.de-Kritik
Diese Platte muss gekauft, genossen und bewundert werden!
Review von Gurly SchmidtThe Divine Comedy, das ist der grandiose Ire Neil Hannon, niemand sonst. Er hat sich von seiner früheren Begleitband getrennt, ist von London zurück nach Dublin gezogen, Vater geworden und hat die vergangenen drei Jahre genutzt, um für sein neuntes Album "Absent Friends" elf fantastische neue Songs zu komponieren, zu arrangieren, zu inszenieren und sich musikalisch endlich näher an seine Vorbilder, den 60er Jahre Singer-Songwriter Scott Walker und den großen belgischen Troubadour Jaques Brel heranzutrauen.
Wenngleich der Titel des Albums zunächst eher traurig anmutet, eröffnet sich mit dieser Scheibe eine überragend vielfältige Klangwelt, die dem Hörer ein Lächeln auf die Lippen und Schauer über den Rücken beschert, wie man sie selten erleben darf. Es entsteht eine ungeheure Klangdichte, die nur ein Künstler wie Hannon mit einer spielerischen Leichtigkeit vereinen kann.
Üppige Streichorchester-Klänge ("Our Mutual Friend") paaren sich mit Riffs akustischer Rhythmus-Gitarren und beschwingten Banjomelodien ("My Imaginary Friend") oder klitzekleinen Fagott-Tonreihen ("The Wreck of the Beautiful"), Akkordeonläufen ("Sticks & Stones" - gespielt vom französischen Virtuosen Yann Tiersen, Komponist des Soundtracks zum Film "Good-Bye Lenin") oder mal schmetternden, dann wieder melancholischen Trompetenklängen. Und immer wieder die (wunder-)volle Tenorstimme Hannons, die wie ein weiteres, exotisches Instrument über Text und Musik schwebt.
Was zunächst wie einfache Pop-Songs anmutet, entfaltet sich rasch zu ausgefeilten Kompositionen mit perfekten Arrangements. Nur Wenige verstehen es, die Musik in so vollendeter Präzision auf berührende lyrische Geschichtchen abzustimmen und bildlich wie eine Filmmusik zu inszenieren. So dramatisiert sich zum Beispiel die Musik in "The Wreck Of The Beautiful" in immer höher steigenden Tonartsprüngen gerade dann, wenn fünf Meilen hohe Wellen das alte rostige Schiff namens Beautiful mit dem Meer kämpfen lassen. Dennoch sind die Stücke nicht überladen, und die Kunst des schönen Pop-Song-Schreibens beweist Neil Hannon grandios in der schönen Persiflage auf dauer-verkatert und -gestresste Geschäftsreisende "Come Home Billy Bird".
Die bewegenste Geschichte ist "Our Mutual Friend", ein aufwühlendes Stück Musik aus reinen Orchesterklängen, in dem ein sichtlich verwirrt-verliebter Mann die Hoffnungslosigkeit nach einem wohl betrunkenen aber nicht unbedeutenden Kuss mit einer tollen Frau erzählt, die er verkatert am anderen Morgen in den Armen ihres eigentlichen Lovers findet.
Schön ist auch in "The Happy Goth" die ironisierende Einsicht in das Seeleninnenleben einer "Waverin", schwarz verhüllt, weiß geschminkt, Dr. Martens tragend und kreuzbehangen, die im Grunde ihrer schwarzen Zurückgezogenheit nichts als einfach nur glücklich ist. Dies wird musikalisch untermalt mit einer luftig-fröhlichen Cembalo- und Glockenspielmelodie, die sämtliche orange-gelben Sommerkleidchen im Schrank zum Tanzen bringt.
So verzaubert, wie Hannon auf sein bisheriges Leben im abschließenden Song "Charmed Life" zurückblickt, so verzaubert er die Hörer mit dieser außergewöhnlich wunderbaren Platte, und diese muss unbedingt gekauft, genossen und bewundert werden!
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