laut.de-Kritik
Eine vielschichtige Platte, die vor allem zurückhaltende Klänge bietet.
Review von Vicky ButscherDandys. Blasierte und elegante Genussmenschen. Geistvollen Zynismus sagt man ihnen nach. Vielleicht kann man sie sogar großkotzig, protzig, überhaben und sich selbst überbewertend nennen. Nie würden sie ohne Hemd, Anzug und Krawatte die Straße betreten. Dandys setzten sich selbst in Szene.
Die neue Platte der als eben solche gehandelten Divine Comedy allerdings ist keineswegs unverschämt und aufdringlich. Im Gegenteil. Sie ist durch und durch bedacht und vor allem eins: Zurückhaltend.
Also kein Dandytum mehr. Keine Anzüge auf der Bühne, kein perfektes Gepose, sondern Konzentration auf die Musik. Ruhige Musik. Wer The Divine Comedy für schwungvoll treibende Lieder wie "National Express" oder "Generation Sex" und überhebliche Texte à la "other guys less smart than me" ("Becoming More Like Alfie") liebt, wird hier wahrscheinlich enttäuscht werden. Oder positiv überrascht von der anmutigen Bedächtigkeit der neuen Stücke.
Man trägt die Nase nicht mehr hoch in dieser Saison. "Now it's time to say goodbye to my suit, my shirt, my tie..." sangen sie schon 1999 in "Too Young To Die". Jetzt haben sie's wahr gemacht. Ohne die für ihre Musik typische Tragik sterben zu lassen, haben sie ein wunderbar zurückhaltendes Album aus dem diesmal wahrscheinlich ungebügelten Ärmel geschüttelt.
Was vielleicht daran liegt, dass das ehemalige Mastermind Neil Hannon die Fäden, sagen wir ein wenig gelockert und nicht mehr in autoritärem Alleingang Songs und Arrangements komponiert hat. Und natürlich am Produzenten: Nigel Gordrich. Der Mann, der für die größten britischen Pop-Perlen der letzten Jahre - u.a. Radiohead und Travis - zuständig war. Und wenn das nicht wunderbar melancholisch-zurückhaltende Alben waren, dann weiß ich auch nicht... !
Wenn man auf den alten vielschichtigen und treibenden Alben oft noch genau hören konnte, wofür The Divine Comedy sieben Mitglieder brauchen, fragt man sich auf diesem leisen Album, wo hier alle Sieben untergekommen sein sollen. Allein die großartigen Arrangements machen es möglich, der vielschichtigen, großzügig besetzten Platte trotzdem leise und vorsichtige Klänge zu entlocken.
Schon mit dem Opener "Timestretched" taucht man in die vorherrschende Stimmung des Albums ein: Zaghaft, ja zerbrechlich klingt Hannons Stimme, wenn er sich leise beschwert, dass es in dieser Welt einfach nicht genug Zeit und Platz gibt, um sich vernünftig auszudrücken oder einfach die Dinge zu schaffen, an denen einem was liegt.
Ein bisschen aus der Rolle fällt das glammige "Bad Ambassador". Wunderbar pompös und vielschichtig, dabei aber nie aufdringlich besticht der Song mit vielen ineinander verworrenen Wendungen. Ich wüsche der Single viel Glück auf dem Weg in die oberen Chartplatzierungen! Auch der locker-leichte Track "Perfect Lovesong" besticht das Ohr. Und Texte wie "give me your love and I'll give you the perfect lovesong", die kommen eben doch eher von einem ehemaligen Dandy.
Spannungsgeladene Songs, ohne wirklich laut zu werden, bietet das Album zu Hauf. Man bedient sich hier der Verdichtung in der Komposition, anstatt mehrere Aufnahmespuren übereinander zu legen. Vorsichtige Crescendi bestimmen die Stücke, die immer wieder zu Gesangslinien mit zaghafter Begleitung minimalisiert werden, wie zum Beispiel auf dem Titeltrack "Regeneration". Meist trifft man auf ausgefeilte Percussions und Soundeffekte, die Stücken wie "Eye of the Needle" oder "Dumb it Down" einen sphärischen Klang geben.
Eine vielschichtige, aber trotzdem minimalistische und vor allem zurückhaltende Platte, sowohl im tragisch-leidenden Gesang als auch in der dezenten Instrumentierung.
"So tell me what the hell is normal an who the hell is sane? And why the hell care anyway? All the dreams that we had are gonna proove that we are all mad and that's OK."
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