laut.de-Kritik

Ein Halbgott auf Erden.

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Die technischen Bedingungen für den Gig scheinen aus heutiger Sicht als Zumutung. Um die Ohren der Anwohner nicht zu arg zu belästigen, durfte die Lautstärke nicht mehr als 75 Dezibel betragen. Die Soundanlage musste auf der Bühne Platz finden, die Bands durften nicht mal Monitore einsetzen, um sich selbst zu hören. Die Doors mussten sich zurückgesetzt fühlen in die Zeiten, als sie noch in Cafés und Kneipen auftraten.

Und doch hat der Ort einen besonderen Reiz. Wie viele griechische und römische Amphitheater steht das Hollywood Bowl an einem Hang. Vor der Bühne, in einer Konzertmuschel beherbergt, befindet sich eine Wasserfläche, um den Klang weiterzutragen. Die Akustik ist also auch ohne große technische Mittel ausgezeichnet, was sich auch daran zeigt, dass dort viele klassische Konzerte stattfinden.

1968 waren die Anspruche auch noch nicht so hoch wie heutzutage – man denke nur an den letzten Auftritt der Beatles zwei Jahre zuvor im New Yorker Shea Stadium mit ein paar lächerlichen Verstärkern vor einer kreischenden Meute. Das wäre heute ungefähr so, als würde man einen bevölkerten Marktplatz mit einem iPhone beschallen.

Den Doors konnte es egal sein – sie waren auf dem Höhepunkt ihres Schaffens und standen auf einer der bekanntesten Bühnen des Landes. Ihr drittes Album "Waiting For The Sun" sollte in Kürze veröffentlicht werden, die Singleauskopplung "Hello, I Love You" bald die Singlecharts anführen.

Der Abend des 5. Juli 1968 war lau und frühsommerlich. Jim Morrison hatte gerade LSD zu sich genommen, als er die Bühne betrat. Dass das erste Stück ausgerechnet ein klassischer Kneipenrauswerfer war, "When The Music's Over", mag ironisch erscheinen, ist aber nur folgerichtig, wenn man im Repertoire einen noch großartigeren Abschluss hat -nämlich "The End". In den 50 Minuten dazwischen kamen einige Klassiker wie das Brecht/Weillsche "Alabama Song (Whisky Bar)", "Moonlight Drive", die gerade aktuellen "Hello, I Love You" und "Spanish Caravan" sowie das banale "Light My Fire" zum Zuge.

Dazwischen trug Morrison immer wieder Gedichte vor. So war der Auftritt eine Mischung aus Konzert und Lesung mit musikalischer Untermalung, perfekt dirigiert von Keyboarder Ray Manzarek. Der bekiffte Gitarrist Robbie Krieger und Schlagzeuger Robbie Densmore folgten ihm brav in seinen Bemühungen, Morrison zu begleiten. Dass es allen Beteiligten gelang, die Performance harmonisch und ohne große Schnitzer zu meistern, zeigt, welch eine gute Band sie zu diesem Zeitpunkt waren.

Ein Auftritt also, der es wert ist, genauer betrachtet zu werden. Erstaunlich ist der Umstand, dass er erst nach 45 Jahren in voller Länge auf den Markt kommt. Die Doors hatten den Auftritt unter Führung des Tontechnikers ihres Vertrauens mitgeschnitten, Bruce Botnick. Morrisons Mikrophon funktionierte aber nicht richtig, weshalb ein Teil der Gesangspuren fehlte. Die Bänder verschwanden, bis Manzarek einen Teil davon bearbeitete und 1987 mit dem Titel "Live At The Hollywood Bowl" veröffentlichte.

Nun nahm sich Botnick wieder der Sache an. Der Sound geht in Ordnung und passt zur Zeit des Geschehens: Manzarek links, Krieger rechts, Morrison und Densmore in der Mitte. Die fehlenden Gesangsspuren zu "When The Music's Over", "Texas Radio" und "Hello, I Love You" wurden aus anderen Konzerten übernommen, was aber nicht weiter auffällt. Die Bilder sind zum Teil verschwommen und blass, beeinträchtigen das visuelle Erlebnis aber nicht. Auf jeden Fall kann man sich gut in den Auftritt hinein versetzen.

Zum einstündigen Konzert gesellen sich interessante Extras. Die verbleibenden Doors und Botnick erinnern sich an die damaligen Umstände, der Veranstaltungsort wird gewürdigt, außerdem sind noch zwei Fernsehmitschnitte und so etwas wie ein Protovideo zu Thems "Gloria" zu sehen.

Neun Monate später sorgte Jim Morrison für einen handfesten Skandal, als er in Miami halbnackt auf der Bühne herum wankte und sich eine Klage wegen Blasphemie einhandelte. Ob er seinen Schniedel tatsächlich auspackte, wird wohl nie geklärt werden. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits schwer alkohol- und drogenabhängig.

Im Juli 1971, fett und aufgedunsen, erlag er seinem exzessiven Lebensstil in einer Pariser Badewanne. 1968 im Hollywood Bowl war er aber noch so, wie er in Erinnerung geblieben ist: Ein Halbgott auf Erden.

Trackliste

Konzert

  1. 1. Show Start/Intro
  2. 2. When The Music’s Over
  3. 3. Alabama Song (Whisky Bar)
  4. 4. Back Door Man
  5. 5. Five To One
  6. 6. Back Door Man” (Reprise)
  7. 7. The WASP (Texas Radio And The Big Beat)
  8. 8. Hello, I Love You
  9. 9. Moonlight Drive
  10. 10. Horse Latitudes
  11. 11. A Little Game
  12. 12. The Hill Dwellers
  13. 13. Spanish Caravan
  14. 14. Hey, What Would You Guys Like To Hear?
  15. 15. Wake Up!
  16. 16. Light My Fire (Segue)
  17. 17. Light My Fire
  18. 18. The Unknown Soldier
  19. 19. The End (Segue)
  20. 20. The End

Extras

  1. 1. Echoes From The Bowl
  2. 2. You Had To Be There
  3. 3. Wild Child (From The Smother Brothers Show)
  4. 4. Light My Fire (From The Jonathan Winters Show)
  5. 5. Gloria (Music Video)

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