laut.de-Kritik
Wayne Coyne feiert mit dem jungen Tom Petty.
Review von Ingo ScheelEs braucht zuweilen nicht viel, um ein Konzeptalbum zu stricken. Eine kleine Idee, ein Song, ein Erlebnis – und schon entspinnt sich daraus ein großes Klangnarrativ. Wayne Coyne erlebt es 2017, als Tom Petty stirbt. Coyne bleibt an der Doku "Runnin' Down A Dream" hängen, Peter Bogdanovichs vierstündiger Film über die Historie von Tom Petty und den Heartbreakers. Es ist unter anderem die Episode über Mudcrutch, Pettys Vorgängerband, die ihn fasziniert. Coyne erfährt so davon, dass der junge Petty mit seinen Kumpels einst in Tulsa hängenblieb. Allein aus dieser Anekdote speist sich der Songzyklus auf "American Head".
Zusammen mit Alleskönner Steven Drozd ging Coyne von der herrlich zerschossenen Idee aus, die Flaming Lips wären damals, zu Beginn der 70er, eine junge Drogisten-Band gewesen, die mit Petty und Mudcrutch abgehangen, gefeiert und vor allem gejammt hat. Mit dieser Grundvoraussetzung entblättert sich ein songwriterisches Cinerama der großen Gefühle. Schon "Will You Return _ When You Come Down" fliegt als luftiger Hybrid aus Yacht Rock, Byrds-Chören und Laurel-Canyon-Leichtigkeit heran, wunderbares Vocals-Kino, dazu schluffiges Tom-Gerühre Marke Ringo Starr, die Coda als opernhaftes Tutti mit Bottleneck, Gitarren und Bläsersätzen. Ganz, ganz großes Kino.
Und so geht es weiter: "Watching The Lightbugs Glow" klingt, als würden Sigur Rós in den Hügeln von Woodstock spazieren, "Flowers Of Neptune 6" driftet mit sanften Drehungen durchs Weltall, "At The Movies On Quaaludes" löst das Kinoticket, duftet erst nach frühen Pink Floyd, koppelt dann weitere Chöre mit dem dunklen Timbre einer tiefergelegten Gitarrensolo-Reduktion. Das Drogengeständnis an die Frau Mama, "Mother I've Taken LSD", lässt schmunzeln, "When We Die When We're High" ist verhuschter Assoziationsprog, wie im Halbschlaf geschrieben.
"My Religion Is You", klanglich das Ergänzungsstück zum Opener, kommt dann als mutmachende Erbauungsmelodie mit naiv-anrührendem Outro: Ich bin okay, du bist okay. Glaub' woran, du willst. Ich glaube auf jeden Fall an euch. "Während wir an der Platte gearbeitet haben, konzentrierten wir uns darauf, die Songs weniger zu hören, stattdessen zu fühlen", sucht Coyne im Pressetext zur Platte nach philosophischem Gerüst. Vielleicht aber ist das überhaupt nicht nötig, bieten die Flaming Lips doch hier, mit diesem amerikanischen Epos eine ihrer erfühl- und unmittelbarsten Alben überhaupt, ergreifend bis zum letzten Drumroll.
3 Kommentare mit einer Antwort
Mal wieder saustark! Bei den Lips weiß man wirklich nie, ob die nächste Platte einen hoffnungslos überfordert, aktiv abstößt oder einfach gekonnt und butterweich ins Gehör geht. Schön, daß sie hier vor allem gute Songs schreiben wollten!
Gute Renzessionierung übrigens!
Erneut eine Wundertüte mit leckeren Überraschungen aus dem verrückten Lippen-Universe. Alleine für diesen Nonkonformalismus fern von Genre-Schubladen muss man auch dieses grandiose Album wieder mögen. 5von5.
richtig starke scheibe. bei den lips wird man wirklich nie enttäuscht.