laut.de-Kritik

Im Heartland stapeln sich wieder die Hooks.

Review von

Comeback nach neun Jahren Studiopause, ein Duett mit dem Boss und ein Titel, der große Erwartungen schürt: Allein die groben Eckdaten der Rückkehr einer der talentiertesten Rockbands der vergangenen zwei Dekaden sorgen bei Feinripp- und Telecaster-Fans auf der ganzen Welt für Gänsehautschübe. The Gaslight Anthem sind zurück – und das nicht nur mit ihrem ewigen Förderer Bruce Springsteen im Schlepptau, sondern auch mit richtig guter Musik.

Der etwas eiernd startende Opener "Spider Bites" fängt sich nach einer halben Minute und nimmt den Hörer mit auf eine Reise ins staubige Heartland. Es folgt der Titeltrack, mit dem vielleicht besten Band-Chorus seit "45" und einem zufrieden nickenden Bruce Springsteen am Mikrofon. Da ist er wieder, der Flair der alten Tage, auch wenn der Sound nicht mehr ganz so rotzig aus den Boxen schallt.

Das schunkelnde "Autumn" erinnert an das Social Distortion-Juwel "Footprints On My Ceiling". "Positive Charge" vereint den rotzigen Charme der Vergangenheit mit poppiger Finesse. Ein balladesker Filler, der den Vibe der Siebziger versprüht, fungiert als Wegweiser in Richtung Halbzeit-Kabine ("Michigan, 1975"). Nach dem kurzen Pausentee bricht es dann doch noch mal aus der Band heraus. Wie einst Pearl Jam während ihrer Garagen-Momente rocken sich The Gaslight Anthem dreieinhalb Minuten lang die Finger wund – herrlich schräges Gitarrensolo inklusive ("Little Fires").

Auch wenn die Band nur selten alle Leinen loslässt, brennt das Feuer der Anfangstage lichterloh. Strophen, Bridges, Chöre, Hooks: Vieles auf "History Books" erinnert an die glorreiche "The '59 Sound"-Zeit, als Brian Fallon und seine Mannen noch unverkrampft und frei von auferlegten Soundzwängen zu Werke gingen und dabei Millionen Rockfans auf der ganzen Welt begeisterten.

Mit "The Weatherman" und "Empires" zeigen die Amis, dass sie problemlos zwischen den Genrewelten wandeln können. Pop, Rock, Folk: alles passt zusammen.

Bevor das zart trippelnde "A Lifetime Of Preludes" den Schlusspunkt markiert, dreht die Band noch einmal alle Amp-Regler auf acht. Sogar melodiöser Grunge steht im Spätherbst 2023 auf dem Programm. Da grinst nicht nur der Geist von Scott Weiland über beide Ohren ("I Live In The Room Above"). Sehr schön. So kann man das Buch schließen. Jetzt aber bitte nicht wieder neun Jahre untätig ins Land ziehen lassen.

Trackliste

  1. 1. Spider Bites
  2. 2. History Books
  3. 3. Autumn
  4. 4. Positive Charge
  5. 5. Michigan, 1975
  6. 6. Little Fires
  7. 7. The Weatherman
  8. 8. Empires
  9. 9. I Live In The Room Above
  10. 10. A Lifetime Of Preludes

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5 Kommentare mit 7 Antworten

  • Vor 11 Monaten

    Zündet für mich leider nur halb. Hab jetzt schon mehrfach Vergleiche zu The 59' Sound gelesen, finde aber gar nichts von der Unbeschwertheit und der Energie in den Songs wieder. Die angesprochenen Highlights sind schon da, aber insgesamt ist das für mich bislang die lebloseste Platte der Band. Vielleicht wächst sie noch.
    Außerdem wird mit keinem Wort die kuriose Produktion erwähnt: Jeder Song scheint nach einem anderen Schema gemischt worden zu sein, teilweise wirkt es, als hätte man Brian Fallon ein staubiges Taschentuch in den Mund gestopft oder ein defektes Kabel verwendet. Muss Absicht sein, erschließt sich mir aber nicht. Bei Positive Charge wirkt es schon fast albern, dass zwischen lyrisch heraufbeschworener Beschwingtheit und staubtrockener Produktion so eine breite Kluft liegt.

    • Vor 11 Monaten

      Oder auch diese Snare. Die Produktion ist wirklich nicht gut.

      Die Songs als solche würden sich ganz anders entfalten, wenn sie nicht so flach und kraftlos aufgenommen worden wären.

      Ich glaube, ich finde die Platte dennoch gut. Pfeife ständig irgendwelche Songteile vor mich hin.

    • Vor 11 Monaten

      Danke, ich dachte erst meine Boxen wären kaputt, aber auf Kopfhörer klang es genau so schlimm. Die Snare klingt als käme sie aus nem Casio. Furchtbar.

    • Vor 11 Monaten

      Snare klingt schon ziemlich phasig. Oder zu stark im Studio gedämpft, oder beides. Dass sowas bei ner professionellen Produktion noch passieren kann?

      Klingt aber irgendwie alles auch sehr sehr müde. Gesang ist auch nur eher genuschelt als gesungen. Weird.

    • Vor 11 Monaten

      Das mit den Ohrwürmern geht mir genauso, 59 Sound kann ich beim besten Willen ebenso nicht nachempfinden, im Vergleich dazu fehlt es schlichtweg an allem. Als Solo Album hätte ich es so genommen. Als TGA bin ich enttäuscht vom Ergebnis.

  • Vor 11 Monaten

    Kein Vergleich zu den älteren Platten - vor allem aus der 59‘ Ära. Brian Fallon hat anscheinend in der Zwischenzeit auch seine authentische Stimme verloren . Wirkt alles ziemlich daher genuschelt wie mein Vorredner schon schrieb . Natürlich sind auch 2-3 passable Songs dabei aber insgesamt finde ich die Platte eher enttäuschend . 2-3 / 5 gehen aber trotzdem klar .

  • Vor 11 Monaten

    Das neue Album ist von den Großtaten der ersten drei Alben soweit entfernt wie Brian Fallon von Charles Darwin oder Ludwig Feuerbach. Im Moment gefällt es mir aber besser als die zwei Alben die danach kamen. Vor allem die ruhigen Songs (Michigan 1975 & Weatherman) funktionieren und die Atmosphäre können sie nach wie vor. Auch Positive Charge gefällt trotz mieser Produktion und besser als ihre Epigonen (Augustines, Menzingers) sind sie allemal.
    In einem Musikjahr mit viel gutem Durchschnitt ist es ein Highlight und es macht Lust auf die Tour im Frühjahr.

  • Vor 11 Monaten

    Die - nennen wir sie mal "interessante"... - Produktion ist laut der Band tatsächlich gewollt.
    Songmaterial ist nicht auf Höhe von '59 Sound oder American Slang, aber war stilistisch auch abzusehen, dass sich die Welt auch hier weitergedreht hat.

  • Vor 11 Monaten

    Oh Mann, was für ein selten schlechter Sound. Und Brians Vocals klingen auch eher wie kurz vorm Wegschnarchen.
    Songwriting ist cool, aber die Platte musste ich nach 4 Liedern weiterskippen und ausmachen.

    • Vor 11 Monaten

      ist so. Punktuell schimmerts ja immer mal durch was die Band sein könnte: Ein richtig guter Alternative-Liebling. Brians gammeliger-fettige-Haare-Look hat sich leider so ein bisschen auf die Band übertragen und ich meine es eigentlich sehr gut mit dieser Band.

    • Vor 11 Monaten

      Das Gegenteil von gut ist gut gemeint. BÄM!