laut.de-Kritik
Die schönste Akustik-Platte des Jahres.
Review von Philipp KauseDas dritte und sofort zugängliche Folk-Pop-Album der Lumineers ist eine Wohltat. Wo andere beim Griff zur Gitarre in Gejammer oder gespielte Aggression umkippen wie die beliebten Mitbewerber Walking On Cars ziehen die Lumineers heitere, zügige Songs durch, ganz ohne Stimmungsschwankungen.
Multiinstrumentalist Jeremiah Fraites und Sänger Wesley Schultz sind selbst genug, verzichten auf Gäste und fusionieren auch nichts. Sie positionieren sich wie gewohnt zwischen Mainstream-Pop und Folkrock. Ihr Spiel flutscht einfach, straight und nicht affektiert. Selbst Leonard Cohens "Democracy" covern The Lumineers so schnuckelig, dass sich niemand aufregen kann. Diesen Titel von 1992, den Cohen sang, als gerade die Berliner Mauer gefallen war, China mit dem Tiananmen-Massaker in den Fokus geriet und George Bush senior in den Irak einmarschierte.
Doch die Lumineers behalten die Tiefe des Originals bei und auch das Erschöpftsein von all den miesen Präsidenten, dem Betrüger Nixon, dem Waffennarr Reagan, dem Erdölspürhund Bush senior. Als Bonus-Titel rundet er die fiktionalen Nummern aus dem Geschichtenzyklus von "III" super ab, der zwischenmenschliche Themen abhandelt. Der Akustikrocker "Gloria" dreht sich um eine geliebte Person, eine "Old Lady", mit der es eine unscheinbare Begegnung gibt, das malerisch schwelgende "My Cell" ums Frischverliebtsein.
Das verrätselte Familiendrama "Donna", in dem Wesleys Stimmlage etwas an Ezra von Vampire Weekend erinnert, begeistert mit dem goldigen Satz: "Your husband loved his computer." Darin dürften sich viele Menschen wieder finden.
Angeblich unterteilen Wesley und Jeremiah ihr Album in drei Story-Abschnitte. Einen Bruch erkennt man schon nach den ersten vier Songs: Ab "Leader Of The Landslide" dominiert das Akustische. "Jimmy Sparks" ist eine Art Schlüsselsong und verbindet die Geschichtenstränge der Familie Sparks. Er zieht nach einer ruhigen Strecke das Tempo an und zieht textlich ungehemmt vom Leder. Nun wird der Bezug zu "Democracy" klar: "Jimmy believed in the American way (...) / he worked hard to make the minimum wage / he found his freedom like a man in the cage." "Salt And The Sea" zählt zu den ganz starken Gitarren- und Klavier-Tracks des Jahres.
Das kehlig vorgetragene "It Wasn't Easy To You" deutet wie so manch anderer Track an, dass hier Anti-Helden die Song-Figuren sind, die irgendwelche gesundheitlichen Probleme haben, eventuell Drogen, Alkohol oder Stress: "Gloria, I found you on the floor (...) did you finally see, that enough is enough?". Alkoholabhängigkeit taucht in einem weiteren Song noch einmal auf: "I smell the alcohol" in "Leader Of The Landslide". In jenem Text singen sie auch das deutsche Wort "Poltergeist".
Zwangsläufig kommen einem Vampire Weekend in den Sinn. Doch was Ezra und Co. anders machen: Sie setzen bei jedem Song neu an, lassen jeder Komposition Luft. Bei The Lumineers wirkt alles deutlich spontaner, schneller angefertigt, eher wie eine Live-Session. Das Resultat ist wohl die schönste akustische Platte des Jahres.
1 Kommentar mit 2 Antworten
Die haben bei mir auf ewig mit diesem nervigen ho, hey verschossen.
Hier drauf sind alle Songs besser i.S.von nicht so holzschnittartig. Das Album ist echt liebenswert!
Hmm ich mag ja Akkustik. Argh ich überlegs mir.