laut.de-Kritik
Sängerin Ming-Xia schmiert dem Hörer die süßen Melodien wie Honig ums Ohr.
Review von Vicky ButscherBei vielen Hip Hoppern meint man, sie wüssten nicht, was sie tun. Die Texte handeln immer von ähm, solchen Wörtern, über die MTV gerne den kleinen Pieps legt. Und sonst nix. Ziemlich einfallslos. Aber es geht eben doch anders.
Dass Hip Hopper was erleben und darüber auch vernünftige Texte machen können, zeigen die Spooks. Unter Vermeidung des erhobenen Zeigefingers werden Situationen von verschiedenen Seiten beleuchtet. Man will dem Zuhörer damit neue Perspektiven aufzeigen, ohne ihm political correctness aufzuzwingen. Die vier Rapper Mr. Booka-T aka Bookaso, Water Water aka Aqua Dinero, J.D. aka Vengeance, Hypno und Sängerin Ming-Xia haben sich 1994 getroffen. Nicht nur musikalisch haben sie schnell gemeinsame Vorlieben entdeckt. Auch ihr Fabel für Spy-Literatur ist ihnen gemein. So konnte man sich schnell auf einen Bandnamen einigen: Der Buchtitel "The Spook Who Sat Beside My Door" inspirierte die belesene Band zu ihrem Namen "The Spooks". Übersetzt heißt das so viel wie geistreich.
Und das war wohl auch ihre erste Singleauskopplung. Mit "Things I've Seen" hat die Band das Highlight ihres Albums "S.I.O.S.O.S. Volume One" schon im Voraus ausgekoppelt und ist damit voll eingeschlagen. Sowohl in den Charts, als auch im Radioairplay wurde die Band sofort hoch gehandelt.
Viele Songs der Spooks sind durch die soulig-eingängige Stimme ihrer Sängerin Ming-Xia geprägt. Sie schmiert dem Hörer die süßen Melodien wie Honig ums Ohr. Stilistisch möchten sich die Spooks aber unter keinen Umständen festlegen lassen. "Wenn wir wirklich eine bestimmte Region mit unserer Musik repräsentieren würden, würden wir das natürlich sagen, aber unser Sound ist einfach zu unterschiedlich", meint Rapper Water Water. Lässt sich drüber streiten, denn viele Elemente ziehen sich in ähnlicher Weise durch die ganze Platte. Das Ergebnis ist, dass man beim Durchhören der ganzen CD ab einem gewissen Punkt genug hat.
Doch für sich genommen heben sich die Songs der Spooks von den üblichen sich oft gleichenden Rhymes und Beats der Hip Hop-Szene ab. Fette Grooves gepaart mit Raps, die nicht einfach glatt runtergehauen werden und Ming-Xias zuckersüße, fast schon trippigen Melodien machen deren Songs aus. Deren Stimme erinnert gar manchmal an Björk. Und das ist gar nicht so weit her geholt: Denn hier hat man es mit einer Hip Hop-Formation zu tun, die etwas anders ist - und stolz darauf. Ihre Einflüsse seien U2, Portishead, James Brown, Radiohead und eben Björk. Nicht gerade gewöhnlich für Musiker, die melodischen Rap produzieren.
Ein Track, bei dem man die verschiedensten Einflüsse deutlich raushört, ist "Sweet Revenge". Eine Vielfalt von musikalischen Eindrücken fügt sich hier zusammen, ohne aneinander gereiht oder peinlich zu klingen. Ruhig und angenehm fließt diese Rap-Pop-Perle in des Hörers Ohr. Deep Cutz hingegen zeigt eindeutig den direkten Weg zurück zum Hip Hop. Da kommt man her, da gehört man hin.
Nicht zu hart und nicht wie die anderen wollen die Spooks sein. Eher wie kleine Geister schwirren sie in jeden Gehörgang. Und dort werden sie sicher bei keinem einen Schaden anrichten: Wer "Things I've Seen" mag, wird auf dem Album zwar kleine Überraschungen erleben, doch aus der Ruhe gebracht wird keiner. Das Album durchzuhören erfordert zwar einige Geduld, da sich trotz der Stilverschiedenheit und der vielfältigen Einflüsse klangliche Wiederholungen feststellen lassen. In Häppchen genossen jedoch eine leicht verdauliche Kost.
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