laut.de-Kritik
Aufregende Mixtur aus Pop, Klassik, Elektronik und vielem mehr.
Review von Toni HennigMitte der 00er-Jahre hatten die Berliner Produzenten PC Nackt (Warren Suicide) und Ben Lauber The String Theory als einmaliges Happening befreundeter Musiker und Musikerinnen aus der Hauptstadt ins Leben gerufen. Seit den Anfängen bewegt sich das Projekt im Spannungsfeld zwischen Komposition, Improvisation und sozialem Event. Im Laufe der Zeit kam es zu einer Reihe künstlerischer Zusammenarbeiten, etwa mit Anna von Hausswolff und Robot Koch und es spielte des Öfteren in Europa und Amerika vor ausverkauftem Haus. Für "Sekou Andrews & The String Theory", dem gemeinsamen Album mit Spoken Word-Poet Sekou Andrews aus dem letzen Jahr, nominierte man es sogar für einen Grammy.
Die nun veröffentlichte "The Los Angeles Suite" entstand, nachdem die vorerst letzte gemeinsame Tournee mit Langzeitpartner José González im April letzten Jahres in Los Angeles endete. Nach der Tournee beschlossen The String Theory jedenfalls, noch eine Woche in der Stadt zu verweilen, um in den Optimist Studios mit zwölf lokalen Künstlern und Künstlerinnen und insgesamt sechzig Musikern und Musikerinnen die Platte aufzunehmen. Am Ende steht eine aufregende Mixtur aus Minimal Music, Pop, Elektronik, Musical-Einflüssen, Blues und noch vielem mehr.
Da mutet der Opener "Jealous Days" schon etwas unspektakulär an, erinnern die Stimme von Jens Kuross und die filigranen Piano-Arrangements doch sehr stark an The Cinematic Orchestra, die sich ebenso auf eine ungewöhnliche Verbindung von E- und U-Musik spezialisiert haben. Am interessantesten erweisen sich noch die flirrenden, an die jüngeren Arbeiten Radioheads erinnernden Streicher.
Dafür folgt mit "California Lover" ein waschechter Hit, der mit cineastischen Streichern, Trip Hop-Beats und dem lasziven Gesang von Shana Halligan an die Strände Kaliforniens entlangführt. Eleganter kann man Pop-Musik kaum noch in Szene setzen. "Abundance (Suite No. 4)" bietet danach mit dem all zu penetranten Spoken-Word-Vortrag Zaire Blacks zum Thema Selbstliebe leider einen Lückenfüller. Das sei The String Theory allerdings verziehen, zumal danach Hollywood ruft. Jedenfalls fühlt man sich in "Hollywood Calling" gleich zu Beginn in die 40er-Jahre zurückversetzt, wenn die Stimme von Addie Hamilton musicalhaft ertönt. Später verschieben wirbelnde Streicher, entschleunigte Elektronik und Gitarren-Einsprengsel das Soundbild in Richtung Moderne, nur damit am Ende wieder wohlige Nostalgie aufkommt.
In "RoBolero", eine Kooperation mit dem vorhin erwähnten Klangtüftler Robot Koch, laden dann repetitive Streicher-Arrangements, akzentuierte Percussions und Elektronik-Klänge zum Tanz ein. "No One Believes A Ghost" besitzt dagegen aufgrund des folkigen Flöten-Sounds, der mysteriösen weiblichen Chorgesänge und des brüchige Organs von vōx etwas Geisterhaftes. Darüber schweben verspielte Streichertöne in disneyhafter Manier märchenhaft durch den Track. Dabei wirken die verschiedenen Soundkomponenten so organisch aufeinander abgestimmt, dass sich die Frage, wo die die Grenze zwischen Kunst und Kitsch liegt, gar nicht erst stellt.
Das Kunstvolle in ihrer Musik betonen The String Theory im folgenden "Stars And Hypes", dem einzigen rein instrumentalen Stück auf dieser Platte. Dort hört man jubilierende Philip Glass-Chöre nebst knorrigen Blues-Akkorden. Die letzten beiden Songs gestalten sich demgegenüber wieder zeitgemäßer. "Moon Landing" klingt durch die verhuschte Stimme Graysons, die vertrackten elektronischen Beats und die fantasiereichen Streicher so versponnen wie Björk. "Remember (Suite No. 1)" rundet die Scheibe schließlich mit souligem Gesang Morgan Sornes, festlichen Streicher- und psychedelischen Flöten-Klängen sowie 'La la la'-Chören ausgelassen ab.
Es bleibt ein Album, das mehr als einhundert Jahre US-amerikanische Musik- und Kulturgeschichte umspannt, ohne zu sehr zu zerfasern. Trotz aller Ambitioniertheit und Vielseitigkeit hat die Scheibe vor allem aufgrund der überwiegend optimistischen Grundstimmung immer etwas Nachvollziehbares. Etwas Zeit braucht das Werk aber schon, um zu wahrer Größe heranzuwachsen, da so manche Idee doch recht eigenwillig ausfällt. Dafür erleichtert die ein oder andere wunderschöne Melodie den Zugang. Auf jeden Fall kommt mit "The Los Angeles Suite" keine Langeweile auf.
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