laut.de-Kritik
Das unbekannteste Phänomen der jüngeren Indie-Historie.
Review von Mathias MöllerBei den Sultans Of Ping handelt es sich um das wohl unbekannteste Phänomen der jüngeren Popgeschichte. Unterstützt von einem florierenden Indiemarkt in den frühen Neunzigern und einem unbeugsamen Cork'schen Lokalpatriotismus veröffentlichte die Band unter drei verschiedenen Namen ebensoviele Alben (als die Sultans Of Ping F.C. das großartige Debüt "Casual Sex At The Cineplex", als Sultans Of Ping "Teenage Drug" und schließlich schlicht als Sultans "A Good Year For Trouble").
Ihr ironiegetränkter Humor und der direkte Indierock erinnern mitunter an die britischen Kollegen von Carter The Unstoppable Sex Machine, die Band lebt vom Frontmann und Selbstdarsteller de Luxe Niall O'Flaherty. Die Band löste sich 1997 auf, um 2005 erstmals wieder für ein paar Konzerte zusammen zu kommen. Aus welchen Gründen auch immer, eines ihrer Konzerte kann man jetzt auf "U Talk 2 Much" bestaunen.
Die Schreibweise des Titels (gleichzeitig der Name eines Songs vom Debütalbum) trägt den Hinweis auf die Neunziger in sich, und auch der Sound nimmt den Hörer mit auf eine Zeitreise. Und man stellt fest, so viel hat sich gar nicht verändert. Von Bild- und Tonqualität her eher eine Low-Budget-Produktion, versprüht der Clubgig im Savoy Theatre zu Cork den Charme eines Konzerts für Freunde des schrägen Indiesounds.
Die Band, mehr oder weniger unauffällig gekleidet, betritt die Bühne, als letzter Paradiesvogel O'Flaherty in weißer Latexhose und weißem Felljäckchen. Ist das in seiner Hand eine fast leere Tullamore-Dew-Flasche? Niall nippt, prostet, und los gehts mit dem traditionellen Opener "Back In A Tracksuit", einer leicht schwerfälligen Nummer vom Debüt. Bald ist klar, die Band hat es immer noch drauf, und der Sänger ist nach wenigen Sekunden in seinem Element.
Nach dem ersten Song fängt er an, das Publikum zu bepöbeln. "You think I got out of bed for that little shit? No way, you owe us!", kommentiert er den leicht verhaltenen Applaus. Mit "Give Him A Ball" folgt einer der musikalisch wohl besten Songs über Fußball, der je geschrieben wurde; die Erkenntnis: "A man can have no greater love than to give 90 minutes to his friends." Dazu schüttelt O'Flaherty seine Latexkiste, dass es eine Freude ist.
Auch die anwesende Security und die Bandmitglieder müssen allerlei zynische Bemerkungen über sich ergehen lassen, aber niemand scheint es ihm übel zu nehmen. Der Herr in Weiß spielt den großen Entertainer, der selbst aus ruhigen Schunkelnummern wie "Two Pints Of Rasa" eine große Livenummer macht. Zu diesem Zeitpunkt ist die angebrochene Flasche Whiskey schon Geschichte und die zweite dran.
Weiter gehts mit Songs über japanische Frauen ("Michiko"), ungewöhnliche Fetische ("Kick Me With Your Leather Boots") und Labertaschen ("U Talk 2 Much"). Mit "Five Years" von Third Bardot spielen die Sultans eine Coverversion, gefolgt vom ebenso großartigen wie kurzen "Teenrage Rock'n'Roll Girl". O'Flaherty preist seine Cowboyboots an, ist zunehmend verschwitzt und zeigt unter seinem Felloberteil lange Oma-Perlenketten. Nebenbei haut er so Weisheiten raus wie: "This has got nothing to do with music. This is about Rock'n'Roll!"
Nach der Hälfte des Sets legt der Sänger endlich die Felljacke ab, jetzt kommt auch der Schmuck richtig zur Geltung. Der Auftritt wird immer mehr zu einem Egotrip des Frontmanns, unterbrochen von Indierockperlen. Höchst unterhaltsam das Ganze! So langsam zeigt das Publikum auch die Begeisterung, die der Bandleader erwartet. Kein Wunder, spielen sie mit "Kick Me With Your Leather Boots", "Stupid Kid" und "U Talk 2 Much" gleich drei ihrer Hits hintereinander.
Danach ist Schluss und als Zugabe gibt es noch mal fünf Stücke, selbstverständlich auch den unvermeidlichen Superhit der Band "Where's Me Jumper". Die Menge kommt auf ihre Kosten und so auch der geneigte Zuschauer. Die Sultans mögen vielleicht nicht jedem gefallen. Aber jeder, der auf britischen Indierock der Neunziger steht, kommt an dem Quintett aus Cork nicht vorbei. Ob sie neue Songs aufnehmen werden oder nicht: Live muss man sie gesehen haben!
Noch keine Kommentare