laut.de-Kritik
Die Nordiren wurden zurecht auf John Peels Grabstein verewigt.
Review von Jasmin LützSommer 1979, da lagen so manche Punks noch als Quark im Schaufenster oder hielten Muttis Summen zum Einschlafen für den Soundtrack des Lebens. Wenn man dann aber einigermaßen erwachsen war, mit coolen Leuten abhing und im Plattenladen mit Namen angesprochen wurde, spätestens dann kam man an The Undertones nicht vorbei.
Die nordirische Band formiert sich 1974 in Derry und gehört mit ihrem vorbildlichen Punk-Pop-Sound, der den Stimmungspegel sofort auf Glückszustand bringt, in jedes gut sortierte Plattenregal. Neben The Clash, Buzzcocks und Ramones sollten The Undertones immer griffbereit stehen. Vor allem mit ihrem gleichnamigen Debütalbum von 1979.
Der gute John Peel wusste schon immer, was gut war und gehörte zu den größten Undertones-Fans und Supportern. Die Über-Hymne "Teenage Kicks" von 1978 besaß er gleich mehrmals, falls mal eine Platte kaputt gehen sollte. Schließlich sollte ihn die Song-Zeile "Teenage dreams so hard to beat" bis ins Grab begleiten. John Peel verstarb 2004. Sein letzter Wille war, diese Zeile seines All-Time-Favorites für immer auf seinem Grabstein zu verewigen. Diesen Wunsch erfüllte ihm seine Frau. Er spielte die Punk-Hymne regelmäßig in seinen BBC-Radioshows und war immer wieder aufs Neue begeistert. So auch andere Bands, zum Beispiel Green Day, die den Hit mal gut, mal weniger gut coverten. Eine Lebens-Hymne, die nicht nur Teenager "kickt".
Auf ihrem Debüt The Undertones von 1979 war "Teenage Kicks" zwar ursprünglich nicht vertreten (auf späteren Pressungen wurde der Song hinzugefügt), aber dafür viele andere Punkrock-Hits, die für ein gepflegtes Besäufnis am Wochenende genügen. Die knackigen Drei-Akkorde-Songs bleiben unter der Dreiminuten-Marke. Die gängigen Melodien setzen die Nordiren mit Gitarre (John und Damian O'Neill), Bass (Michael Bradley), Schlagzeug (Billy Doherty) und der markanten Stimme von Feargal Sharkey um. Ein bemerkenswertes Vokal-Vibrato begleitet das rumpelnde Schlagzeug. Nicht nur Sharkeys Gesang avanciert zum charakteristischen Merkmal der Gruppe. Der nordirische Sound tritt gleich zu Beginn ("Family Entertainment") mitten in die Fresse.
Ein befreiender Ausbruch aus dem Konflikt zwischen der katholischen und protestantischen Bevölkerung in Nordirland. Der Machtkampf beherrschte die Politik und den Alltag. So auch das Leben der Undertones. Anders als bei ihren Punk-Kollegen, strahlten die Jungs aber eine gewisse Schüchternheit aus. Sie kamen aus Derry und nicht aus London oder New York. Ihre Songs waren weniger aggressiv und beinhalteten, trotz ständiger Unruhen in ihrer Heimat, eine eher positive Sicht auf das Leben.
Inhaltlich geht es viel um Herzschmerz, Teenager-Liebe, Hormon-Wallungen, eben den ganz normalen Boy-meets-girl-Wahnsinn ("I Know A Girl") und Frustrationen, die jeder Jugendliche kennt: "I can't understand the way things are. This ist the wrong way. You'll have to change someday" ("Wrong Way"). Um Suizid geht es bei "Jimmy Jimmy". Selbst bei diesem Thema bleibt ihr Optimismus, das Leben trotzdem von seiner erfreulicheren Seite zu sehen, bestehen. Somit klingen sie manchmal mehr nach Pop (The Beatles) als nach Punk (Ramones) und erschaffen ihre ganz eigene Punk-Pop-Welt. Der Refrain lädt auch immer gleich zum Mitsingen ein: "But what else can you do if the girls don't like it" (Girls Don't Like It).
Im englischen Kultfilm "Quadrophenia" (1979) motzen die jungen Leute: "We're Mods, we're Mods...", und prügeln sich auf den Straßen Brightons. Bei The Undertones lautet die Parole: "I wanna be a Male Model". Fashion statt Fäuste. Auch wieder ein Kontrast zur rebellischen Punk-Bewegung. Schaut man sich die Videos aus dieser Zeit an, so waren die Jungs auf jeden Fall auch optisch ein Vorbild für viele Teens. Die Boys aus Derry mit ihren Beatles-Bob-ähnlichen Haarschnitten, engen Lederjacken und Streifen-Shirts. Das heißt aber nicht, dass die Jungs politisch nicht interessiert waren. Ganz im Gegenteil. Bassist Michael Bradley erzählt im Interview von 2008, dass er lieber über Politik rede, als über die aktuelle Musikszene.
Die schnellere Punk-Nummer "Here Comes The Summer" landete 1979 in den UK-Single-Charts auf Platz 34. Deshalb spielten die Nordiren im selben Jahr auf der Top Of The Pops-Bühne. Die Performance in der beliebten englischen Musiksendung gehörte wohl zu den kürzesten Auftritten der TOTP-Geschichte, da der Auftritt gerade mal 1 Minute und 24 Sekunden dauerte. Gitarrist und Songschreiber John O'Neill ließ sich 1978 von den New Yorker Punk-Idolen The Ramones inspirieren und schrieb den Song über Sonne, Strand und schöne Mädchen.
Ein bisschen Beach Boys-Fun hört man dort heraus, das mochten auch die Amis. Neben "Here Comes The Summer" waren Titel wie "Jimmy Jimmy" und "Girls Don't Like It" auch in den USA erfolgreich. Spätestens als The Undertones mit The Clash auf Tour gingen, flippten alle aus.
"Casbah Rock" wurde nach dem Pub The Casbah in der Heimatstadt der Undertones benannt. Hier spielten sie zum ersten Mal 1977 und tranken dort regelmäßig am Wochenende ihre Pints. Im Video zu "My Perfect Cousin" sieht man die Gegend rund um den Pub in der Orchard Street in Derry so, wie es damals aussah, bevor ein Einkaufszentrum drauf gebaut wurde. Die Liebe zum 'zweiten Wohnzimmer' hört man dem Song auch an. Und jetzt bitte alle in den Arm nehmen und zusammen grölen: "Cos you'll never get pop at the Casbah Rock".
The Undertones sind ein Meilenstein in der Musikgeschichte und sollten nicht nur wegen "Teenage Kicks" immer vor The Clash einsortiert werden. 1983 trennte sich zwar Sänger Sharkey von der Band, um an seiner Karriere als Popsänger zu arbeiten. Dennoch gingen und gehen die übrigen Mitglieder mit neuem Frontmann weiterhin auf Konzertreise und haben immer noch große Freude daran. Denn "Punkrock ist nicht tot" (Thee Headcoates).
In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.
1 Kommentar
Nicht schlecht, aber nach 37 Jahren klingen sie einfach um Meilensteinen von the clash entfernt. 3/5. Mehr ist bei aller Liebe zum Punk Rock und Irland nicht drin. Sorry and have a nice punky Sunday.