laut.de-Kritik
John Peel stellt seine Lieblingsband vor.
Review von Daniel StraubDerry, Nordirland 1975. Hier, wo die Fronten des Glaubenskrieges zwischen Protestanten und Katholiken so offensichtlich zu Tage treten, wie nur an wenigen Orten und selbst die banalsten Dinge des Alltags ihre politische Aufladung erfahren, sind Rückzugsgebiete rar. Im Keller eines alten Hauses schaffen sich die fünf Teenager John und Damian O'Neill, Michael Bradley, Billy Doherty und Feargal Sharkey einen solchen Freiraum. Dort verbringen sie ihre Zeit und träumen von einer Karriere als Musiker. Das ist die Geburtsstunde von The Undertones.
"Teenage Kicks: The Story Of The Undertones" begibt sich in Form einer rund 60-minütigen BBC-Dokumentation auf Spurensuche in Nordirland und zeichnet die Geschichte der Band auf ebenso ehrliche wie einfühlsame Weise nach. Als Fremdführer dieser ganz anderen Irlandreise konnte niemand geringeres als John Peel, laut eigener Aussage "the world's most boring man", gewonnen werden. Der langweilige Peel, mit seiner Radioshow und den dazugehörigen "Peel Sessions" zur Legende geworden, reiste 2001 zum ersten Mal nach Derry. An jenen Ort also, wo The Undertones 1977 John Peels Lieblingspopsong aller Zeiten komponierten.
"Teenage Kicks" heißt der hymnenhafte Punksong, der John Peel das Herz gebrochen hat, und der sich gleich mehrmals in Peels riesiger Plattensammlung wieder findet. Es könnte ja mal ein Exemplar kaputt gehen. Jener John Peel also, der The Undertones-Fan schlechthin, versammelt die Band zwanzig Jahre nach ihrer großen Zeit um sich, um mit ihnen in gemeinsame Erinnerungen und lebhafte Anekdoten abzutauchen.
Wie es war, als alles anfing. Damals in den heruntergekommenen Räumen des Clubs "The Casbah", wo The Undertones den Soundtrack zum allwöchentlichen Besäufnis spielten. "Three pints of guinness and hurray here comes saturday night!", das dachten damals alle, erinnert sich Sänger Feargal Sharkey in strengem irischen Akzent. Hauptsache, die Politik blieb für einige Stunden außen vor. Ein frommer Wunsch in einer Stadt, die übersät war mit großflächigen Graffitis, die den Hass schüren, und wo die militärische Präsenz der Briten den Alltag prägte.
In dieser verschworenen Gemeinschaft in Derry, aus der The Undertones hervor gegangen sind und die für die Fünf immer der wichtigste Bezugspunkt blieb, war durchaus nicht alles eitel Sonnenschein. Als sich der Erfolg einstellte und The Undertones auf einmal im ganzen Land Konzerte gaben, mit The Clash durch die USA tourten und bei "Top of the Pops" auftraten, fühlten sich die Leute in Derry verraten. Erfolg macht verdächtig. Selbst bei einer Band, die immer auf dem Teppich geblieben ist und mit jeder Geste das große Sex, Drugs & Rock'n'Roll-Klischee widerlegt.
Klar gehörten The Undertones Ende der 70er Jahre zu den großen Bands der Insel. Eine aufgeblasene Luftnummer waren sie jedoch nie. Im Herzen sind sie immer die fünf Jungs aus Derry geblieben, auch als sich ihre Wege 1983 wieder trennten, weil Sharkey eine Solokarriere als Popsänger verfolgen wollte, während die übrigen Jungs die Bandidee weiter hochhielten und dies bis heute tun.
"Teenage Kicks: The Story Of The Undertones" rekapituliert zwanzig Jahre Bandgeschichte mit einer Vielzahl an Interviews, historischen Aufnahmen und neugedrehten Sequenzen, die zu einer unaufgeregten und doch gleichzeitig höchst spannenden Dokumentation verarbeitet wurden. Zudem erklingen die Klassiker von The Undertones, produktionstechnisch auf den neuesten Stand gebracht, im 5.1-Sound aus den Boxen. Und als kleinen Bonus haben die Jungs noch sieben zum Schmunzeln anregende Promo-Videos wie "Teenage Kicks", "My Perfect Cousin" oder "It's Going To Happen" draufgepackt. Da bleiben keine Wünsche offen. Und wie sagt ein Journalist in der Doku doch so passend: "One good thing about a great band is: You know a great band when you hear it. You don't have to analyze it."
Noch keine Kommentare