laut.de-Kritik
Collage oder Karambolage? Hauptsache es groovt.
Review von Magnus HesseJulian Casablancas ist jetzt nicht mehr Gast sondern vollwertiges Bandmitglied bei The Voidz, die den Strokes-Sänger daher auch nicht mehr mit einem Plus im Namen tragen.
Nicht nur das hat sich geändert im Vergleich zur frickeligen, fast avantgardistischen ersten Platte "Tyranny". Auch auf "Virtue" streift der Sänger wieder jegliche Bürden, die seiner New Yorker Band in den letzten Jahren anlasteten, mühelos ab wie eine muffige alte Jacke. Bei den Voidz funkelt seine Pailettenweste im flackernden Licht der Diskokugel.
Hört man Casablancas, so singt da ohrenscheinlich immer noch der selbe Typ. Nur dass seine unübertroffene Unbekümmertheit sich hier über viel vielschichtigere Disco-Beats legt. Mal pluckern Synthie-Bässe new wavig vor sich hin, dann schubst ein Retro-rockendes Riff den Song wieder vorwärts. Und fast immer setzt die Band dem unangestrengten Gesang, den Casablancas gefühlt mit der Fernbedienung in der Hand auf der Couch wegdösend einsingt, genügend Spannung entgegen.
Die Stücke klingen trotz ihrer schelmischen Experimentierfreude nach Songwriting aus dem Bauch, und nicht wie früher zuweilen nach verkopftem Getüftel. Ausbalanciert wird das Ganze von Nummern wie "ALieNNatioN", die mit einer poppig sanften Hook fast balladeske Züge annimmt und zeigt, welche Melodien der Mann immer noch fühlt.
Bei fünfzehn Songs und einer knappen Stunde Spielzeit geht zum Beispiel das blasse "Pink Ocean" etwas unter, und lässt dafür den ungebremsten Aktionismus von "Black Hole" etwa umso greller erstrahlen. Mit dem Messer zwischen den Zähnen, Lofi-Sounds wie blechernem und viel zu leisem Schlagzeug, gewollter Unstimmigkeit und allerlei Krach-Effekten geht es vor allem um eins: Kaputt machen, schrill sein, nerven. Das gelingt ohne pubertäres Vandalismus-Geschrammel. Stattdessen folgt dieser Ritt immer einer Idee, einem Konzept.
Das schwappt dann zuweilen über in waschechten Punk, der sich eindeutig an den 80ern berauscht. Und das obwohl die Scheibe mit der Single "Leave It In My Dreams" noch vergleichsweise zahm und mit Strokes-Anklang einsetzt. Der Bruch lässt aber nicht lange auf sich warten.
"QYURRYUS" sprengt bereits jede Vorstellung, die man hätte haben können. Erstes - möglicherweise rein subjektives - Bild im Kopf: Trash-Collagen, wie sie sich in Zeiten von Instagram-Stories ins Hirn fressen: Mit Katzenköpfen umschwirrt von Pizza-Emojis und altmodisch animierten Explosionen im Weltraum. Oder eben einfach das Cover von Felipe Pantone. Dieser gemischte Plunder von einem Song kombiniert derart ungehört wie unerhört Auto-Tune mit einem technoiden Wabern und seltsam orientalischen Gitarren-Licks, dass man sich letztlich nur fragt, wie um alles in der Welt das nur so dreist grooven kann.
"Pyramid of Bones" lässt die Zügel kein bisschen hängen, kommt aber mit viel massiverer Soundwand daher, fast Stoner-rockend, nur dass Casablancas Stimme in den Höhen nach Jared Leto klingt. Von hier an wird es gar uferloser. "All Words Are Made Up" ist sowas wie eine aus der Zeit gefallene Dance-Hymne inklusive neonleuchtender Synth-Flächen und einer urcoolen Hip-Hop-Einlage, zu der sich auch prima ein Twerk-Contest abhalten ließe.
Nachdem das von Orgel getragene "Pointlessness", das wie ein bedrohlicher Hans-Zimmer-Soundtrack beginnt und anschwillt alles zuvor Gehörte platt walzt und in Frage stellt, weiß man selbst nicht mehr, was man da eigentlich gerade alles gehört hat. Vielleicht zeigt dieser Abyss eines Songs am Ende eines solch eklektischen Albums aber einfach nur, wie egal es diesen Typen ist, was die Leute daraus machen. Mögen es auch im Weltraum schwebende Katzen umgeben von Pizza-Emojis sein.
3 Kommentare
Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.
Nun, interessant klingt's zumindest schon mal, wird gern angetestet.
Eine sehr geile Scheibe!