laut.de-Kritik

Statt LSD-bunt nunmehr bedrohlich und zähflüssig.

Review von

"Es herrschte Wahnsinn in jeder Richtung, zu jeder Stunde, man konnte überall Funken erzeugen. Es herrschte ein fantastisches, universelles Gefühl, dass, was immer wir taten, richtig war, dass wir gewinnen würden." Das sind die euphorischen Worte, mit denen Raoul Duke im Film "Fear And Loathing In Las Vegas" den Geist der späten 60er Jahre beschreibt.

Irgendwie passt dieser Satz auch wunderbar auf das Jahr 2003, genauer gesagt auf das damals von der kalifornischen Psychedelic-Band The Warlocks veröffentlichte Album "Phoenix".

Ihr zweiter Longplayer war ein wilder und zugleich unbeschwerter Trip mitten hinein in die drogenverseuchten Klangräume, zu denen Bands wie The Velvet Underground und The Grateful Dead die Tür aufgestoßen hatten. Es war ein Film, von dem man sich gerne mitreißen ließ. Stücke wie "Shake The Dope Out" oder "Baby Blue" waren die Essenz dieses orgiastischen Lebensgefühls, komprimiert auf fünfminütige Songformate. Was auf CD noch mühsam gezähmt wirkte, fegte einen live davon wie ein Sturm.

Auch für das spezielle Hochgefühl, das einen in Momenten erfasst, in denen die Zeit für Augenblicke stehen zu bleiben scheint, hat Raoul Duke die passenden Worte gefunden: "Unsere Energien würden sich einfach durchsetzen. Wir hatten den Moment auf unserer Seite, wir ritten auf dem Kamm einer hohen und wunderschönen Welle." Yeah, der große Hype. Und man ist live dabei. Das kommt selten genug vor.

Doch solche Momente sind vergänglich, auch wenn man es nicht wahrhaben will. Also versucht man das Runterkommen so lange wie möglich hinaus zu zögern, die Euphorie zu konservieren. Die Warlocks-Platten "Phoenix" und "Surgery" leisteten genau dies. Sie beschwören die dunkle und melancholische Seite des allmählich nachlassenden LSD-Films: Bedrohlich, schleppend, zähflüssig.

Mit dem aktuellen Longplayer "Heavy Deavy Skull Lover" erreicht diese Entwicklung ihren vorläufigen Höhepunkt. Der ungebremst positive Flash von "Phoenix" ist längst vorbei. Eine dumpfe Schwere liegt über dem neuen Warlocks-Album.

Der bunte LSD-Schleier ist den Songs nunmehr entrissen. Höchste Zeit, sich mit den Dämonen zu beschäftigen. Zäh und deprimierend eröffnen "The Valley Of Death" und das über zehnminütige "Moving Mountains" das Album. Die Vocals von Sänger Bobby Hecksher sind über weite Strecken nur als fernes Echo zu vernehmen. Die Drums wirken seltsam diszipliniert, ja sogar ernüchtert.

Den Ton geben die intensiv mit Effekten behandelten Gitarrenchords an, die in zarten Momenten wie bei "So Paranoid" gar an das letztjährige Album-Release der Raveonettes erinnern. In heftigen Momenten verlieren sie sich in minutenlangen Feedbacks und Improvisationen.

Das alles macht "Heavy Deavy Skull Lover" zu einem schwierigen Album. Dennoch hat es viele Momente von unerwarteter Schönheit. Warlocks-Neulinge werden diese Nuancen vielleicht nicht entdecken. Wer aber die vorangegangenen Kapital verfolgt hat, für den fungiert "Heavy Deavy Skull Lover" als dunkler wie stimmiger Abschlussakkord einer zusammenhängenden Geschichte: gleichermaßen ehrlich wie schön.

Wer das High genosssen hat, der muss sich auch den dunklen Seiten stellen. Da sind The Warlocks genauso konsequent wie Raoul Duke. Als ferner Referenzpunkt bleibt das High dennoch erhalten. "... und wenn man die richtigen Augen hat, kann man die Hochwassermarke sehen, den Ort, an dem sich die Welle schließlich brach und zurück rollte." Man wird sehen, ob diese Welle The Warlocks noch eine Weile mit sich fort trägt, bevor sie sie entlässt.

Trackliste

  1. 1. Valley Of Death
  2. 2. Moving Mountains
  3. 3. So Paranoid
  4. 4. Slip Beneath
  5. 5. Zombie Like Lovers
  6. 6. Dreamless Days
  7. 7. Interlude In Reverse
  8. 8. Death, I Hear You Walking

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