laut.de-Kritik

Elvis begegnen kann jeder.

Review von

Nur weil du Elvis gesehen hast, bist du echt noch nichts Spezielles. Elvis haben viele schon gesehen, und die meisten, denen Elvis (metaphysisch oder real) begegnet ist, sind auch irgendwie schrullige, oft fragwürdige Zeitgenossen. Und außerdem: Songs, die von Elvis handeln, die sind einfach nie besonders toll. Denk mal an "Calling Elvis" von Dire Straits beispielsweise, es würde wirklich nicht einmal der größte Mark-Knopfler-Jünger behaupten, dass das Marks Sternstunde gewesen sein soll, weder textlich noch musikalisch.

Bei The Waterboys ist das nicht anders, ganz im Gegenteil. "I Can See Elvis" heißt ein Song ihres aktuellen Albums "Modern Blues", die Bandkollegen singen sehr putzige "Doo-wops" während Mike Scott schwadroniert, dass er den King gesehen hat, schlank und lebendig, mit einer selbstgebauten Sportzigarette in der Hand. Daneben steht John Lennon und macht einen Handstand (Textaufgabe: ein skurriles Bild reinbringen!), irgendwas mit Hendrix ist auch los und Charlie Parker steht auch anbei. Und weil man manchmal ja auch ein zweites "Desolation Row" schreiben möchte, addiert man dann noch Joanne D'Arc und Plato, die Shakespeare (he's in the alley!) über seine eigenen Stücke befragen . Und dann immer wieder dieses putzige Doo-Wop. Dooooooo-wop.

Ach ja, noch was. Leute, die das Wort "Modern" in ihre Albumtitel bringen, meinen das meist ironisch oder referenziell. "Modern Times" von Dylan zum Beispiel – spoiler alert! – klingt gar nicht so modern. The Waterboys hingegen meinen das absolut ernst. Nach Nashville hat Scott seine Bandgefolgschaft dirigiert und das Album dort dann auch gleich noch selbst produziert.

Zugegeben: bis auf die Elvis-Sichtung ist die Platte, mal mehr, mal weniger in Ordnung, wenn auch mit Sicherheit nur für Fans und Sympathisanten der Band einigermaßen interessant. Auch wenn Charlie Parker, Miles und Coltrane dann ein paar Songs schon wieder auftauchen müssen, "The Nearest Thing To Hip" heißt der Song. Und ganz am Schluss muss auch noch Jack Kerouacs Romanfigur aus „On The Road“, Dean Moriarty (siehe: Neal Cassady) herhalten. Irgendwie ist das so gezwungen, dass es beim Hören fast ein bisschen schmerzt.

So richtig klappen will das mit der Geschichtenerzählerei aber leider nur bei einem Song, "The Girl Who Slept For Scotland". Auch "November Tale" ist ganz gut, auch wenn die Streicher gelegentlich halt arg nach Del Amitri klingen. Die sich übrigens im gleichen Jahr wie The Waterboys gegründet haben, 1983. Der Rest klingt leider gar zu gewollt, im Grunde belanglos. Ein bisschen Blues, ein bisschen Rock, ein bisschen Twang, ein bisschen Boogie. "Still A Freak", "Rosalind (You Married The Wrong Guy)", "Long Strange Golden Road": modern oder mutig, wie das die Presseinfo behauptet, ist da leider gar nichts. Da passieren einfach zu viele Plattitüden, textlich wie musikalisch.

Nichts gegen Mike Scott, nichts gegen The Waterboys, Hand aufs Herz. Aber eines der besten Dinge an ihrem neuen Album ist das Albumcover. Da steht ein Typ als Gebüsch verkleidet auf der Wiese und streckt die Arme aus. Der Rest, mein Gott, der Rest geht so. Doo-Wop. Dooooo-Wop.

Trackliste

  1. 1. Destinies Entwined
  2. 2. November Tale
  3. 3. Still a Freak
  4. 4. I Can See Elvis
  5. 5. The Girl Who Slept for Scotland
  6. 6. Rosalind (You Married the Wrong Guy)
  7. 7. Beautiful Now
  8. 8. Nearest Thing to Hip
  9. 9. Long Strange Golden Road

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2 Kommentare

  • Vor 9 Jahren

    ...ganz meine Meinung, das ist belangloser 08/15 Rock aus dem Baumarkt. Solche Platten brachte Scott in den letzten beiden Jahrzehnten öfters mal. Als 2011 die wundervolle Platte "An Appointment With Mr. Yeats" erschien, dachte ich schon, das alte Feuer ist wieder zurück. Leider getäuscht, "Modern Blues" ist so eine Art Kumpelrock...

  • Vor 9 Jahren

    Sehe ich überhaupt nicht so. Grossartige Songs, erstklassig produziert. Und nachdem ich die Jungs das Ganze nun auch noch live performen sah, mit Mike Scott und Steve Wickham in Bestform, gibts von mir ganz klar 5 Sterne.