laut.de-Kritik
Zwischen Zauberwald-Techno und Tom Waits.
Review von Christoph Dorner"How could we get so lonely?". Eine Frage, die Tiefschwarz gleich zu Beginn ihres dritten Albums von Vocalist Daniel Wilde in unglaublich souligem Ton stellen lassen. Dabei ist es um das Brüderpaar nie einsam geworden, obwohl "Chocolate" die erste Albumveröffentlichung seit fünf Jahren ist. Tiefschwarz haben in ihrem Berliner Studio an einer neuen Soundästhetik gefeilt.
Und sie haben sie in einer Rückbesinnung auf entspannten Deep-House mit etwas Minimal-Geklacker und abstrakten Pop-Motiven auch gefunden. Richtig sophisticated gehts im Intro mit hypnotischen Harfenklängen los, die sich in das eingangs beschriebene "Home" hinüberretten, in dem sich aus einem catchy Trippel-Bass, Techno-Zischen und tiefschwarzer Soul-Melodie ein verbindlicher Afterhour-Hit für den Sommer ergibt.
Zum anschließenden "Kraft" wird man dagegen kaum tanzen können. Vielmehr erinnert der Track in seiner Geräuschkulisse an Zauberwald-Techno von Pantha du Prince, ist dabei mit stufenweise heruntergeregelten Vocals und etwas deplatzierten Percussion-Interludes weit weniger hypnotisch. Eins wird bereits hier deutlich: Ein Album für die Tanzfläche soll "Chocolate" erst gar nicht sein. Hier könnten externe Remixe allerdings nachhelfen.
Ob ein gedämpfter Sound, der in vielen Tracks an experimentelle Hörspiel-Collagen erinnert, freilich zu Heavy Rotation verleitet, darf allerdings bezweifelt werden. Zum Glück haben sich Tiefschwarz und ihr Produzent Santé noch ein paar Gäste eingeladen, denen man im Tausch für ihren Gastbeitrag zumindest zwingende Grooves liefern musste.
Das klappt bei Dave Aju und dem minimalen "I Can't Resist" bereits ganz gut, wahrhaft gelungen ist aber erst der schräge Varieté-Track "Trust", in dem der Detroiter Produzent Seth Troxler brabbelt und teuflisch lacht, als wäre er eine Reinkarnation von Tom Waits. Mit House hat das freilich genauso wenig zu tun, wie so mancher funky Slapstick-Track von Moodyman.
"Find Me" mit Cassy wirkt dagegen wie so manch anderer Track etwas unstetig und überproduziert. Warum gerade deren sinnliche Vocals immer wieder ziellos verfremdet werden, erschließt sich einem nicht. So kommt der Track auch nicht ins Rollen wie beispielsweise die letzten eleganten Veröffentlichungen der Russin Nina Kraviz. Wenigstens hat man dafür mit "What You Want" eine todsichere Hymne für die großen Freiluft-Raves in petto.
Tiefschwarz wollen an der Live-Umsetzung ihrer Tracks in Sachen Dynamik noch mal gesondert feilen, bevor sie im Sommer auf große Chocolate-Tour gehen. Das wird auch nötig sein, Schokolade schmilzt in praller Sonne ziemlich schnell.
1 Kommentar
Reinkarnation von Waits? Hallo? Der Meister lebt noch, ja?!