laut.de-Kritik
Vom Raven in die Traufe.
Review von Martin TenschertDJ Tiesto möchte ganz doll arg cool sein. Das zeigt er auch auf dem Cover seines neuen Longplayers. Da schlendert der Mann von Welt betont lässig über einen Boulevard, wahrscheinlich Las Vegas. Der Stadt, die mit Übertreibung, Exzess, Geschmacklosigkeit, Trash und EDM im besonderen und speziellen nur zu gut zu seiner eigenen Biographie passt.
Die gewachsene, traditionsreiche elektronische Szene in Europa kann mit diesem Trend ja so gar nichts anfangen. Aber Tiesto hat bereits früh auf den amerikanischen Markt gesetzt, nicht zuletzt, weil US-Veranstalter bereitwillig seine überzogenen Gagenforderungen akzeptierten.
Der Trance-Flaneur im dezent zu engen Anzug hat es dann auch nicht sein lassen können, 14 neue Stücke als Hommage an die große Hure Paradies zu produzieren. Stadion Trance vom allerfeinsten und -grausigsten. Sicherlich wirkungsvoll bei Massenevents und für treue Fans, deren der "Finger-in-die-Luft"-Flame durchaus viele hat. Aber selbst leicht Außenstehende haben ihre liebe Mühe, auch nur irgendeinen Zugang in diese Sphären zu finden. Auch Gesangseinlagen von Größen wie Ladyhawke machen die trommelwirbelgeschwängerten Poptrancenummern leider kaum besser. ("Last Train"). Apropos: Wann fährt denn nun der letzte Zug??? Kann mich jemand bitte abholen sonst?
Auch der Titeltrack "A Town Called Paradise" steckt tief drin im klebrig-kitschigen Sumpf aus Stabs und Chords, die immer eine Oktave zu hoch klingen. Es gibt andererseits aber auch stark wolkenverhangene Lichtblicke: Wenn der Saubermann Of Rave dezentere Sounds auspackt, wie etwa beim netten "Rocky", wird zwar noch kein Balboa draus, man erkennt aber durchaus die Absicht und ist nicht verstimmt. Dieses mühsam errichtete Kartenhaus stürzt aber spätestens bei "Balladen" wie "Written In Reverse feat. Hardwell" wieder hoffnungslos in sich zusammen. Vom Raven in die Traufe.
Tiesto, schön und gut, dass du Las Vegas knorke findest, darauf einige schrille Digidi-Fanfaren. Aber kannst du die Coolness in Zukunft wieder Leuten wie Tiga, die "Sunglasses At Night" auch bedenkenlos tragen können, überlassen? Bitte, danke.
3 Kommentare
Ihr habt das Cover nicht echt von amazon geklaut ...
Naja, 'geklaut' nicht gerade. Trotzdem danke für den Hineis ;-
Igitt...John Newman sollte besser bei Rudimental bleiben.