laut.de-Kritik
80er Technopop mit Scissor Sisters-Nachhilfe.
Review von Eberhard DoblerTigas LP-Debüt heißt "Sexor". Und beginnt auch noch mit dem Sprüchlein "Welcome to Planet Sexor, where imagination rules the nation". Die typische Technoparty-Parallelwelt eben. Ein Ohr muss man dem Mann trotzdem leihen. Zeichnet er doch für einen der formidabelsten Dance-Remixe verantwortlich - Nellys "Hot In Here".
Und tatsächlich: Ein Gefühl für Groove zeichnet eigentlich jeden Song aus. Tiga atmet zweifelsohne so etwas wie Soul. Idiotisches, kaltes Gebolze is nich. Vielmehr wählt er die richtigen Sounds aus der Datenbank (in Tigas Fall sind sie der Liebe zu den 80ern geschuldet), weiß um funktional verwobene Arrangements, besitzt eine okaye Stimme und hat zum Glück den Mut, sie reichlich einzusetzen - schließlich soll "Sexor" ein Pop-Album sein.
Dennoch wirken die Vocals auf Dauer etwas zu eintönig. Denn was der Freund des Popsongs liebt, stößt manchem Dancefloor-Jünger auf und umgekehrt. Der Track, auf den das hundertprozentig nicht zutrifft, heißt "Pleasure From The Bass". Vocals und Beat stehen hier in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander, wenn es um funktionale Dancetracks geht. Und selbst, wenn es nicht so wäre: Die prägnant akzentuierte und arrangierte Nummer burnt den Club - eine Meisterleistung.
Ähnlich heiß treiben "You Gonna Want Me" (mit Jake Shears von den Scissor Sisters) und "(Far From) Home (The Speed Of Sexor Reprise)" mit melodiösem Sprechgesang und mächtigen Bass-Synthies an. Von jenen heiß antreibenden Stücken bietet das Album aber etwas zu wenig. Stattdessen geht es, wenige Ausnahmen bestätigen die Regel, meist harmonisch, manchmal cheesy zu. Die 80er sind immer allgegenwärtig.
So erinnert "High School Jamaican Boa" oder auch "The Ballad Of Sexor" zuweilen an Bernard Sumner. Der Opener "(Far From) Home" gerät zur lässigen Dance-Pop-Nummer. "Louder Than A Bomb" huldigt dem Elektro-Techno-Floor und "Brothers" perlt zu Beginn fast im Stile eines Mirwais.
Das recht minimal gehaltene Nine Inch Nails-Cover "Down In It" orientiert sich dagegen am dunklen Wave - das zurückhaltende "The Ballad Of Sexor" in Abstufungen ebenfalls. "Burning Down The House" (Talking Heads) stampft zuweilen etwas zu verspielt aus den Boxen. Beide Covers dürften zwar - stilistisch gesehen - spalten. Technisch gesehen, bleiben sie hervorragend umgesetzt. Die 80er sind bei Tiga jedenfalls gut aufgehoben. Der Kanadier liefert ein bombensicheres, teils glattgebügeltes Debüt ab, das seinen eigenen Produktionstil offenbart.
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