laut.de-Kritik
Der Smooth-Jazzer weckt den Beschützer-Instinkt.
Review von Kai KoppDas Intro zu "A Night in Berlin" präsentiert Till Brönner als trompetenden James Dean. In einsamem Schwarzweiß betritt er, verletzlich und ad hoc den Beschützer-Instinkt auslösend, den menschenleeren Aufnahmeraum. Er findet schließlich sein Horn und bläst die Ballade "Where Do You Start" in schönster Chet Baker-Melancholie. Das ist Jazz, kein Zweifel. Mit Dämpfer zwar, aber ohne Weichspüler.
Neben seinem Image als Pop-Charts erprobter Smooth-Jazzer beherbergt Till Brönner ein zweites Ich, das des echten Jazzers. Um beide Identitäten zu vereinen erklärt er auf "A Day In Berlin", wie das Zusatzmaterial betitelt ist, "dass es wichtig ist, zu wissen, von welcher Straße man abkommen möchte". Gemeint ist, den Jazz und seine Traditionen verinnerlicht zu haben, um ihn individuell interpretieren und auf die Reise schicken zu können.
Um bildhafte Worte nicht verlegen, vergleicht er den Jazz mit einem Wein, dessen Gehalt vom Boden, den Anbaumethoden, dem Jahrgang, den Sonnenstunden und den übrigen regionalen Gegebenheiten, abhängt. Ob am Ende ein hochklassiger Merlot oder ein mittelmäßiger Riesling heraus kommt, hängt also von vielen Bedingungen ab, nicht nur von der Rebe. Brönners Jazz ist, um in seiner Metaphorik zu bleiben, der Merlot unter den deutschen Jazzweinen. Josef Engels vom renommierten Jazzthing-Magazin geht so weit zu behaupten, dass er seinem Ziel, ambitionierten Pop mit der Virtuosität der Jazz-Moderne zu versöhnen, noch nie so nahe gekommen ist wie auf "A Night in Berlin".
Till Brönner widmet sich seiner multiplen Persönlichkeit hauptsächlich in Form einer schmackhaften Mischung aus leicht verdaulichem Jazz. Von Pop, Balladen, Hip Hop, Bossa, Swing und Blues erzählt "A Night In Berlin". Hervorzuheben ist "Little Sunflower", auf dem er mit scratchendem DJ, treibenden Rimshots und Flügelhorn sein hochkarätiges Jazz-Ich unter Beweis stellt. Abwechslungs- und stimmungsreich schwingt sich "Little Sunflower" zum echten Highlight der DVD auf. Brönner gewährt dem Stück viel Zeit, die er und seine Kollegen (u.a. Roberto Di Gioia) nutzen, weit zu reisen, sich verschiedensten Stimmungen auszuliefern und solistische Höhepunkte von langer Hand vorzubereiten. Von den 14 Minuten Tracklänge lohnt sich jede Sekunde. Das gilt auch für "A Night In Berlin" in seiner Gesamtheit.
Noch keine Kommentare