laut.de-Kritik
Australischer Hip Hop hat ein neues Gesicht.
Review von Mirco LeierIggy Azalea war lange Zeit das einzige internationale Aushängeschild Australiens in Sachen Hip Hop. Und auch, wenn sie sich mit ihrem letzten Album, das es Zuhause nicht mal in die Charts schaffte, vollends in die Belanglosigkeit verabschiedet hat, hinterließ "The New Classic" (2014) Spuren. Dachte man an Down Under, dachte man jahrelang an Kängurus, Vegemite und Iggys eröffnende Worte aus "Fancy" (in der Reihenfolge).
"First things first: I'm the realest", könnte aber genauso gut auch Tkay Maidza von sich behaupten. Die 23-Jährige mauserte sich im Untergrund zur nächsten Sensation vom roten Kontinent und setzt nun mit der zweiten Auflage ihrer "Last Year Was Weird"-EP-Reihe zur Übernahme an.
Auf dem 2017 erschienenen Album "TKAY" konnte man den Impact Azaleas Debüts noch spüren. Lyrisch spielte Tkay schon damals in einer völlig anderen Liga. Sie versuchte aber noch zu krampfhaft, ein breiteres Publikum anzusprechen, um kommerziellen Erwartungen gerecht zu werden. Über weite Strecken opferte sie ihren kreativen Drive zugunsten der Airplay-Freundlichkeit. Und dass es nicht wirklich funktionierte, erweist sich rückblickend als Segen für die Newcomerin.
Anstelle letzterem Aspekt größere Beachtung zu schenken, begibt sich Maidza nun mit "Last Year Was Weird Vol. 2" auf eine musikalische Selbstfindungsreise. Die acht Tracks flirten mit verschiedenen Sounds, die von traumhaftem R'n'B bis zu basslastigen Trap-Bangern reichen. Das Tkay dabei nicht alles einwandfrei von der Hand geht, sollte angesichts der Bandbreite, die sie abdeckt, keine allzu große Überraschung sein.
Die Schwächen der EP sind jedoch nicht der Rede wert, da sie schlimmstenfalls ein wenig uninspiriert ausfallen. Songs wie "You Sad" und "PB Jam" kommen und gehen, ohne einen wirklichen Eindruck zu hinterlassen, negativ fallen sie trotzdem nicht auf. Im Vergleich zu den hölzernen Popsongs ihres Debüts, stellen sie gar eine Progression dar, was vor allem der lebhaften und quirligen Produktion geschuldet ist. Trotzdem täte Tkay zukünftig wohl besser daran, diesem Sound vollends den Rücken zu kehren. Dass sie sich trotzdem nicht auf einen einzigen Stil festlegen braucht, beweisen die Höhepunkte der EP.
"24K" punktet als soulig-sinnlicher Beach-Jam, der wunderbar auf Kaytranadas letzten Langspieler gepasst hätte. "Shook" liefert charismatischen Missy Elliott-Worship, der den Spirit der ehemaligen Goddess of Hip Hop besser einfängt, als Missys eigner Output der vergangenen Jahre. Maidza klebt förmlich am Beat, switcht zwischen Flows wie zwischen den Outfits im Video - und habe ich schon erwähnt, dass diese Frau unfassbar gut rappen kann? Am Ende gibts sogar noch einen Bounce-Breakdown. "These mans, I got 'em all shook". Indeed Tkay, you do.
"Grasshopper" ist einer dieser Songs, die man am liebsten so laut aufdrehen möchte, dass einem die eigene Anlage um die Ohren fliegt. "I unleash all my wrath", rappt Tkay im zweiten Verse und bei Gott, das tut sie. Die verzerrten Gitarren und der gnadenlos polternde Bass verwandeln jede noch so spießige Neubauwohnung in einen schlammigen Moshpit. Wehte zuvor ein frischer Wind, so bläst auf "Grasshopper" ein ausgewachsener Orkan.
Auch "Awake (feat. JPEGMAFIA)" schlägt in eine ähnliche Kerbe. "I don't really know how to be tired": Tkay und JPEGMAFIA, der eines seiner besten Features überhaupt beisteuert, rappen über Schlaflosigkeit und ADHS. Entsprechend erratisch fällt der Beat aus. Gespenstische Horrorsynths und blecherne Hi-Hats dröhnen aus den Boxen und leisten jedem Gesellschaft, der um vier Uhr morgens hellwach um die Häuser zieht.
Der Closer "Don't Call Again" rückt zum Abschluss noch einmal ihre Singstimme in den Mittelpunkt. Den Song als smooth zu bezeichnen, würde der Art, wie Tkays Vocals über die mühelose, sexy Bassline gleiten, nicht gerecht. Kari Faux spittet im Mittelteil noch ein paar herrlich souveräne Bars und macht den Homerun perfekt. Auch wenn der Song von einer Trennung handelt, ist es ein Leichtes, sich in diese knapp vier Minuten zu verlieben.
Die Selbstfindung, die Tkay Maidza mit "Last Year Was Weird Vol. 2" unternimmt, mag noch nicht vollends abgeschlossen sein. Nur ist es in vielerlei Hinsicht schwer vorstellbar, wie sie sich noch weiter verbessern soll. Ob R'n'B, Trap, Pop-Rap oder Bounce: Die Frau kann fast alles. In Australien wissen sie das schon lange, nun wird es Zeit, dass sich das auch in Übersee ändert.
2 Kommentare
Ein paar sehr gute Dinger drauf aber auf Albumlänge überzeugt dann doch nicht alles.
Ganz starkes Albung! Die Dame hat alles, was es zum Superstar braucht. Auf "Awake" komme ich gar nicht klar, was für ein Oberhammer! Und Peggy's Zeile
"Selling Cain You Not Abel To Have A Weeknd" ist Virtuosität mit Wörtern.