laut.de-Kritik
Live verschmilzt ihre Stimme mit dem Klang ihres Flügels.
Review von Giuliano Benassi"Wenn ich spiele, begebe ich mich an einen Ort, der wie kein anderer ist, den ich jemals erlebt habe. Auch nicht mit einem Liebhaber, auch ein sehr schöner Ort, weil man gemeinsam dort hin geht. Aber das ist anders. Der erste Ort geht darüber hinaus", erklärt Tori Amos ihren Zugang zu Liveauftritten in einem Interview in der Special Features-Abteilung. Ein Konzert stellt für sie ein mystisches Erlebnis dar, das sie mit ihren Zuschauern teilt und das auf "Welcome To Sunny Florida" zum ersten Mal auf DVD gebannt ist.
Die Aufzeichnung beginnt mit einer kleinen Schmunzeleinlage, denn auf den Titel folgt das Hauptmenü in Form eines Sturms, der über das Konzertgelände hinweg fegt. Ein kurzer Blick hinter die Kulissen, ein paar Worte von den Fans ("es ist mein 125. Tori Amos-Konzert", erzählt einer von ihnen), dann gehen die Lichter aus und die Aufmerksamkeit gilt der Aktivität auf der Bühne.
Spärlich inszeniert, ist in den folgenden zwei Stunden kaum etwas vom Publikum und wenig mehr von Matt Chamberlain (Schlagzeug) und Jon Evans (Bass) zu sehen. Es gibt weder Spezialeffekte noch eine große Lichtshow: Im Zentrum des Geschehens stehen die Musikerin aus Baltimore und ihr Bösendorfer-Flügel, den sie gelegentlich mit einem Keyboard hinter ihrem Rücken betrügt. Ein luftiges, blau-orange-gelbes Kleid und ihre roten langen Haare vervollständigen das Bild.
Was bei Fans Hitzewallungen erzeugen dürfte, zieht auch den neutralen Zuschauer in seinen Bann. Amos verzichtet auf anrüchige Gesten und steigert sich durch ihre Musik in einen Rausch. Ihre Stimme verschmilzt mit dem Klang des Klaviers und ihren Texten, die eine unendliche Tiefe besitzen zu scheinen. Dabei bedient sie sich aus allen Kapiteln ihres Repertoires: Neben vier Stücken aus ihrem 2002er Studioalbum "Scarlet's Walk" bietet sie auch "Crucify", "Leather" und "Precious Things" aus dem Debüt "Little Earthquakes" (1992) sowie ihr wohl bekanntestes Lied "Cornflake Girl" aus "Under the Pink" (1994). Am schönsten ist der Abschnitt zwischen "Take To The Sky" und "Cooling", den sie ohne Begleitband bestreitet.
Ein denkwürdiger Auftritt also, der im September 2003 ihre knapp einjährige US- und Europatour beendete. Als würde das nicht schon reichen, befindet sich auf der DVD noch ein 20-minütiges Interview sowie eine ausführliche Fotogalerie. Eine CD mit unveröffentlichten Stücken vervollständigt ein überzeugendes Paket; hauptsächlich aus Amos und ihrem Klavier bestehend, bleibt besonders "Ruby Through The Looking Glass" im Gedächtnis hängen.
2 Kommentare
Hat eigentlich noch keiner entdeckt, dass hier mit Apollo's frock einer der genialsten Stücke von Tori Amos ü b e r h a u p t aufgenommen wurde? Die "vertsteckten Schätze" verdienen ihren Namen und gehören undbedingt zu Scarlet's Walk dazu...
Auf der DVD ist Take to the sky mit dem eingearbeiteten Muhammed my friend einer der gelungensten live-Auftritte, die sicher nicht nur Tori Amos Fans überzeugt.
Schöner Rückblick!
Danke, Herr Benassi!