laut.de-Kritik
Elektronik statt beißende Riffs - und doch unangreifbarer denn je.
Review von Magnus HesseMackenzie Scott übt sich auf Album Nummer drei in Contenance. Das ausgegebene Ziel: Ein Trance-Album. Nun kommt die Amerikanerin eher aus dem Alternative-Kontext und hatte bis dato mit Spiritualität oder gar Psychedelik relativ wenig am Hut. Im Gegenteil: Auf dem Vorgänger "Sprinter" wird ihre scharfe Stimme von bleischweren Gitarren begleitet.
Auf "Three Futures" befreit sie sich nun von aller Schwermut, singt dabei aber nicht minder schonungslos. Ihre Zeilen legt Torres diesmal allerdings über elektronisches und vergleichsweise sanftmütiges Geplucker. Ausgangspunkt vieler Songs ist nicht mehr als eine Korg-Drummachine. Über kleine Loops schichtet Scott Spur um Spur, um so von einem Puls ausgehend zehn Tracks entstehen lassen.
Dieser Puls bleibt meist ziemlich ruhig und - wie ein Puls eben ist - gleichmäßig. Das hat etwas sehr Vereinnahmendes, gerade wenn Torres dem Beat-Mantra ihr tief entschlossenes Stimmvibrato entgegensetzt. Nicht immer wirkt dieser Kontrast aber gleichermaßen spannend.
In "Tongue Slap Your Brains Out" schafft sie es, die Dynamik mehr oder weniger allein durch ihren Gesang beliebig zu steuern, dieser wirkt dann umso erhabener. Immer wieder schieben sich Synth-Flächen geschmeidig über die gedämpft bis mumpfige Drummachine, die unbeirrt weiterläuft. Fast nichts ist da plötzlich im Raum, alles bahnt sich an, geht über, verfließt.
Diese Platte genügend sich gänzlich selbst. Sie geht organisch ihren Gang, ein bisschen Reverse, Hall und kaum Kante: Man kann sich bedenkenlos fallen lassen. Die Kehrseite zeigt sich in Songs wie "Righteous Woman", die nicht richtig aus dem Knick kommen. Hier findet der aufgebrachte Gesang keinen Wiederhall im dünnen instrumentalen Unterbau.
In diesen Momenten dürfte Scott ruhig ihren etwas zahnlosen Songs ein wenig mehr unter die Arme greifen. Angerissene Gitarren spielen ähnlich dem Beat meist ein sich wiederholendes Riff, das die Schraube immer weiter ins Unterbewusstsein dreht. Dazu knarzen kurz tiefe Keys und zwischen allem - ganz viel Luft zum Atmen. In "Greener Stretch" kommt man im Outro schließlich auch dem erwünschten Delirium mehr oder weniger nahe und verliert zwischendurch das Gefühl für die Zeit.
Ein ähnlicher Effekt stellt sich bei "To Be Given a Body" ein, in dem die Sängerin den menschlichen Körper als Geschenk anpreist. Ziemlich körperlos driftet der Track aber etwas sehr weit weg von allem Greifbaren ohne in seinen Bann zu ziehen. Und damit wäre auch der schmale Grad beschieben, auf dem sich Torres bewegt.
Trotz allem steckt in "Three Futures" eine Selbstverlorenheit, die sich jeder Bewertung von außen zu entziehen scheint und jedem Krittler die kalte Schulter zeigt - eine Art meditative Tiefenentspanntheit, wie vom Yoga-Meister ins Hirn massiert. Das macht Eindruck, weil es die Künstlerin tatsächlich relativ unangreifbar dastehen lässt. Und das obwohl ihr auf dem Vorgänger jeder einen Seelen-Striptease und eine entwaffnende Offenheit unterstellte. Diesmal entwaffnet Torres ihre Hörer nicht mit einschüchternder Stimme und aufbegehrenden Grunge-Gitarren, sondern mit Nonchalance.
2 Kommentare mit einer Antwort
gehe mit 3/5 konform. so begeisternd wie die ersten beiden scheiben ist das alles nicht.
ihr einlullendes geplucker würde nur dann richtig gut funktionieren, wenn die stücke auch songwriterisch die stärke früherer bringer wie "mother earth" oder "Honey" etc hätte.
doch genau diese kraft, die von melodien und ihrem individuellen gitarrensound geprägt war, fehlt hier. damit sind gleich 2 kernmerkmale futsch.
insofern funktioniert das für mich höchstens als ein "der weg ist das ziel"-album; weniger als echtes fundstück.
Das Hauptproblem mit Torres ist, dass sie darauf besteht selbst zu singen. Das kann sie schlicht und ergreifend nicht. Wenn man sich im Internet Livemitschnitte ansieht, trifft der Unterkiefer auf die aufgerollten Zähennägel so unfassbar daneben ist das.
das ist für die studioplatten doch egal. ist ja kein livealbum.