laut.de-Kritik

Banger-Manifeste der gestürmten High-Society.

Review von

Zum Abschluss einer Saison voller kurzfristig angekündigter Kombo-Mixtapes erscheint "Huncho Jack, Jack Huncho" von Quavo und Travis Scott nach zwölfmonatiger Vorlaufzeit. Doch auch wenn das herausragende Cover von "Fear And Loathing In Las Vegas"-Illustrator Ralph Steadman Ambition signalisiert, verharrt die Zusammenarbeit über weite Strecken in der gemeinsamen Komfortzone.

Quavo, gerne auch mal halb-ironisch die Beyoncé der Migos genannt, zeigt seine Qualitäten in dieser Dynamik zumeist im melodischen Bereich und auch Travis' Stärken liegen in seinem Gefühl für eigenwillige Melodiekonstrukte und charakteristische Autotune-Gesänge. Die Kombination führt entsprechend zu Überschneidungen, die allerdings keiner so recht ausnutzen oder kompensieren will. Verses und Hooks fühlen sich im Laufe des Projekts zunehmend gleichförmig an, hört man gerade nicht so genau hin, kann man die Beiden öfter mal nur an den Adlibs auseinanderhalten.

Instrumental verläuft die Kombination dagegen eigentlich ziemlich interessant: Travis psychedelischer, verlorener Vibe vermischt sich mit Quavos Ausstrahlung von luxuriösem Highlife zu einer Welt nach dem Come-Up, selbstsicher und stolz auf die eigenen Errungenschaften, aber dennoch mit klarem Rückbezug auf die Ästhetik und die selbstzerstörerischen Wesenszüge der Trap. Songs wie "Huncho Jack" oder "Go" bereiten trippige Synthesizer-Samples durch eine opulente Trap-Produktion zu Manifesten der übernommenen High-Society auf.

In diesem Kontext gibt auch ein Song wie "Modern Slavery" durchaus Sinn. Der Opener und vielleicht hitverdächtigste Track der Platte nimmt ein Otis Redding-Sample, um über die Parallelen moderner Kapitalismusgesellschaft und amerikanischer Sklaverei zu sprechen. Auch wenn das über ein paar griffige Lines wieder recht schnell in klassischen Luxury-Porn abschweift, bleibt die Aussage durchaus klar: Travis und Quavo haben die Oberschicht gestürmt und verlassen sie so schnell auch nicht wieder. In der Ambition hätte "Jack Huncho, Huncho Jack" also durchaus etwas wie das MDMA-geschwängerte "Watch The Throne" sein können.

Tatsächlich flimmern auch immer wieder Momente auf, in denen diese Ansprüche sich erfüllen: Das exzentrische Vocal-Layering im zweiten Verse von "Motorcycle Patches" zeigt Travis Scott von seiner besten Seite und im letzten Drittel reihen "Dubai Shit", "Saint Lauren Mask" und "Moon Rock" verdammt eingängige Banger aneinander, die auch mit äußerst markanter Produktion glänzen.

Zwischen den Hits entstehen allerdings oftmals Längen: Ganz besonders die kurzen Gastauftritte von Takeoff und Offset machen schmerzhaft deutlich, warum ein Migos-Breakup auf lange Sicht ganz besonders für Quavo keine lukrative Idee wäre: Das tatsächliche Spitten und der damit verbundene Aufbau von Energie und Tempo, das fehlt diesem Projekt durchgehend. Beide Protagonisten stecken in ihrem üblichen, melodischen Trott fest. Statt in den subtilen Unterschieden ihrer recht ähnlichen Ansätze neue Wege zu finden, verengen sie ihre Optionen stattdessen noch weiter auf den risikolosen gemeinsamen Nenner. Die Konsequenz: Diese Platte bleibt überraschend überraschungsarm.

Das ist besonders dahingehend schade, dass Travis ja eigentlich vor allem durch gewagte Produktionsentscheidungen, unorthodoxe Songstrukturen und eigenwillige Soundvisionen funktioniert. "Huncho Jack, Jack Huncho" liefert auf dieser Front eher B-Seiten-fähiges Material, das zwar durch Charisma und handwerklicher Routine aller Beteiligten nie wirklich schlecht ausfällt, aber abgesehen von etwa vier Titeln auch nicht so aufregend gerät, wie man es sich nach all dem Aufsehen erhofft hat.

Trackliste

  1. 1. Modern Slavery
  2. 2. Black & Chinese
  3. 3. Eye 2 Eye (feat. Takeoff)
  4. 4. Motorcylce Patches
  5. 5. Huncho Jack
  6. 6. Saint
  7. 7. Go
  8. 8. Dubai Shit (feat. Offset)
  9. 9. Saint Lauren Mask
  10. 10. Moon Rock
  11. 11. How U Feel
  12. 12. Where U From
  13. 13. Best Man

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6 Kommentare mit 2 Antworten

  • Vor 6 Jahren

    Das Cover ist ein Traum.
    Nach der anfänglichen Euphorie, bleibt ein zwar sehr homogenes Album, aber auf 13 Songs auch zu wenig Abwechslung. Travis und Quavo verschmelzen zu einem Autotune-Brei. Trotzdem froh überhaupt etwas von Travis zu hören. Das Händchen für einprägsame Hooks, geschenkt.

    Mein Favorit bleibt "Where U From".

    Auch "Modern Slavery" und "Saint Laurent Mask" sind stark.

  • Vor 6 Jahren

    Ist nicht schlecht, aber natuerlich nullstens mit 'Without Warning' zu vergleichen, wie es hier ein paar Dummkoepfe neulich gemacht haben. 'Without Warning' ist voll mit funeral dirges fuer den Zombie-Stripclub, im Vergleich dazu ist die Atmosphaere hier federleicht fuer den Primark-Kaeufer.

  • Vor 6 Jahren

    schon gut, bleibt aber zu wenig hängen. "go" für mich bester track. "without warning" dagegen nach wochen immernoch stark.

  • Vor 6 Jahren

    Habs mir jetzt auch mal angehört. Hmmh, ich habe mir mehr erhofft. Ist mir alles zu lasch und uninspiriert.

    1. Without Warning
    2. Super Slimey
    3. Jack Huncho

    Wer hätte das gedacht?

    Aber gehörte immer schon zu denen, die mit 21 Savages Sound und Ästhetik was anfangen konnten. Metro Boomin und er wurden füreinander gemacht. So wie einst Stockton und Malone.

  • Vor 6 Jahren

    Das Album ist jetzt nicht besonders aufregend. Es plätschert halt so dahin, kann man nebenher zu einem Vorglühen laufen lassen aber etwas Neues bietet es nicht und es setzt Altbewährtes auch nicht überdurchschnittlich um.

  • Vor 3 Jahren

    Fand ich anfangs nciht so krass, habe es dann immer wieder mal über die nächsten Sommer gehört und finde es mittlerweile richtig geil. Besonders "Where U From" ist ein gelungener, atmosphärischer Track. Kann natürlich nicht mit Travis' Solomaterial mithalten, aber Banger sind hier eindeutig genug.

    Einzig das Vocal Mixing ist einfach scheiße. Viel zu höhenlastig, viel zu komprimiert. Besonders gut zu hören auf "Eye 2 Eye", diese P-Laute oder T-Laute sind schon eklig im Ohr.