laut.de-Kritik
Endlich wieder etwas für die K-Pop-Hipster!
Review von Yannik Gölz2017 bin ich mit dem überambitionierten LOONA-Projekt in den K-Pop gestolpert. Damals hatte diese Gruppe alles, was dem K-Pop-Hipster der dritten Generation das Herz aufgehen ließe: Klar, der Pop-Faktor, aber auch diese extreme Genre-Vielfalt, ein Händchen für Atmosphäre und diese seltsame, von keinem so richtig zu schnallende Lore. Als ich "[+ +]" und "[X X]" dann in vollstem Hype für diese Seite besprochen habe, habe ich es hochtrabend einen "Peak für K-Pop" genannt.
In den Jahren darauf kam mir das ein wenig vorschnell vor. Es war so ein bisschen meine "Typ hört ersten Song eines Genres und ist sich sicher, dass das der Beste sein muss, den das Genre zu bieten hat"-Ära. Und es wäre ja absurd gewesen, dass in einer Ära mit Peak-BTS, mit Twice, Red Velvet und Seventeen ausgerechnet meine kleinen Hipster-Favs die absoluten Überflieger gewesen wären. Oder? Nun ja: Rückblickend vielleicht ja doch. Denn nach dem Zerfall von LOONA ist mir das große, klaffende LOONA-förmige Loch in meinem Herzen erst gewahr geworden, als TripleS aufgetaucht sind.
TripleS kommt nicht vom gleichen Label, aber vom gleichen kreativen Hintermann, Jaden Jeong. Die Gruppe zählt 24 Mitgliederinnen und wurde bisher in verschieden zusammengesetzten Subunits mit über Discord stattfindenden Song-Votings etabliert. Und es hat auch wieder alles: Die Genres, die Vibes, die Lores. Nachdem Jeong mit LOONA also an der Skala seines Projektes gescheitert ist, hat er mit TripleS einfach noch einmal die Dimension größer ausgeweitet.
"Assemble24" ergibt so etwas wie den raffinierteren Tagtraum der K-Pop-Hipster. Okay, die Mittel der Gruppe sind nicht groß genug, um mit den Genre-Titanen zu konkurrieren. Bleibt also nur, eine ganz eigene Ästhetik zu etablieren und eine eigene, kleine Nische zu finden. Und wow, dieses Album hat es wirklich drauf, den irgendwie unterschwellig typischen Sound der dritten Generation perfekt neu auszulegen und in eine ganz eigene Welt zu mutieren.
Das atmosphärische Intro etabliert die Mischung aus sphärischen Synths und E-Gitarre, die in den dreamy Titeltrack "Girls Never Die" überleitet. Als These biologisch vermutlich zwar nicht ganz haltbar, hat es doch einen ziemlich coolen, unterschwelligen und treibenden Groove. Es fühlt sich ein bisschen an, als versteckten sich hier hinter den geschmackvoll verwendeten 2016-EDM-Sounds trotz aller Laid-Back-Ness eine stille Gothiness, die das Video nur noch akzentuiert. "Girls Never Die" ist keine von den ganz fetten Keulen, aber ein Kopfnicker, sehr pretty und melodisch.
Außerdem haben wir hier nun die Freude, mal ein K-Pop-Tape zu rezensieren, das wirklich kein bisschen kopflastig daherkommt. "Girls Never Die" ist zwar die Flagschiff-These, gehört aber nicht einmal aufs Treppchen der besten Tracks hier. Grundsätzlich leistet "Assemble24" erst einmal meisterlich, eine sich durchziehende Klangfarbe und Stimmung aufzubauen, die dann trotzdem teilweise gewagt und kreativ in verschiedene Genres gedreht werden kann.
"Heart Raider" beschleunigt das Herzklopfen zu einer modernen Crush-Jam, erinnert mit dem Kontrast aus dreamy Synths und ratternden Percussion-Loops zwar formell an NewJeans, spielt aber trotzdem in einem Sound, der mit NewJeans wenig zu tun hat. "White Soul Sneakers" kombiniert super-atmosphärische Piano-Slides, ein Synth-Horn und einen hispanisch wirkenden Groove zu einem perfekten Sundown-Spaziergangs-Track. "24" war eigentlich im Rennen für den Titeltrack in ihrem mystischen Discord-Server und man hätte es verstanden, so euphorisch diese Hymne auf die gemeinsame Gruppenkraft ankommt.
Aber die Highlights finden sich definitiv in zwei anderen Tracks. "Midnight Flowers" ist ihr "Butterfly", so leichtfüßig und melancholisch, fast ein bisschen Dream-Pop-mäßig, wie dieser Song sich zu seinem Refrain aufschraubt. Die Mischung aus verdammt viel Stimmung und sehr hohem Tempo kommt erfrischend und inspiriert. "Non Scale" setzt ans Ende des Tapes noch mal einen ziemlich simplen, aber hocheffektiven Pop-Banger, dessen Marimba-Riffs gegen die Vocal-Melodie von Maren Morris' "The Middle" arbeiten. Es klingt nicht besonders, funktioniert aber an der Stelle des Albums tadellos.
"Assemble24" ist so etwas wie ein eingelöstes Versprechen. Es verzichtet auf ein paar der großen Stärken, die K-Pop in seinen megalomanischsten Momenten hat. Es ist aber kein riesenhafter Pop, sondern nur ein sehr kaleidoskopischer. TripleS als Kollektiv treten temporeich, dreamy und extrem kohärent auf. Das Genre hat kein so ambitioniertes, gleichmäßig gutes und kreativ klarsichtiges Album seit "Noeasy" oder "Walpurgis Night" gesehen.
1 Kommentar
Objektiv gesehen eines der besten K-Pop Alben des Jahres meiner Meinung nach