laut.de-Kritik
R'n'R und Selbstbefriedigung als ehrliche Handarbeit.
Review von Mathias MöllerStudioalbum Nummer sieben. "You've come a long way, baby", möchte man zu den sechs Turbonegern sagen, die es bis "Retox" geschafft haben. Und hört man das Album, sieht man gut die Straße, die sie entlang geritten sind, und bekommt das Gefühl, die Reise ist noch nicht zu Ende.
Begann alles mit rotzigem Punkrock mit derbem Alternative-Einschlag, sind Hank, Rune, Pål, Happy-Tom, Chris und Euroboy mittlerweile bei einem ganz eigenen Subgenre irgendwo zwischen Stadionrock, Hardrock und Metal angekommen. Dass dabei immer noch eine gute Portion Punk mitschwingt, beruhigt ein bisschen.
Dennoch: "Retox" ist Geschmacksache. Weniger eingängig als "Scandinavian Leather" oder "Party Animals", und doch gleichzeitig so etwas wie die logische Weiterentwicklung entlang der Linie, die die beiden Vorgänger angedeutet haben.
Die sechs Denim Demons sagen über ihr neues Machwerk, es sei ein "nihilistic homo punk metal bikermovie." Na dann, ab in den Sattel. Ein aufreizendes Riff entlockt Euroboy seiner Gitarre, dann legt er noch schnell ein Solo hin, bevor es losgeht. Ein Turbonegro-typischer Beat unterlegt die Drohung von Hank: "We're gonna drop the atom bomb."
Bedrohlich wirkt das derweil nicht. Und wieder ist da diese Frage, die man sich immer stellen muss, wenn man dem wahren Prince of fucking darkness lauscht: Was ist ernst gemeinte Provokation, und was ist tongue-in-cheek Selbstparodie? Dem flotten Opener folgt ein noch flotteres Willkommen auf der Müllhalde. Ein schönes Wortspiel beinhaltet "Hell Toupée", ähnlich wie "If You See Kaye" von der "Party Animals". Musikalisch hören wir bis jetzt kaum Neues, Turbonegro are playing it safe.
Dann "Stroke The Shaft". Ah, endlich wirds richtig schmutzig. Keine subtilen Andeutungen mehr, jetzt gehts ans Eingemachte. R'n'R und Selbstbefriedigung als ehrliche Handarbeit. Das gibts so wohl nur aus Norwegen. Doch was bedeutet das für die Band? Waren die selbst ernannten Homo punks früher doch eher anal oder oral fixiert, mögen sie es jetzt auf einmal nur noch mit der Hand? Das muss wohl eine Alterserscheinung sein.
Und dann auf einmal "No, I'm Alpha Male". Ein von AC/DCs "Thunderstruck" geliehenes Riff leitet diesen Hammer von einem Song ein. Mr. Summers prügelt die Band durch die schnellste und bis jetzt härteste Nummer des Albums, die Gitarreros reißen Stakkato-Akkorde runter, dass man zum Bangen nur so herausgefordert wird. Die erste Single steigert die Laune weiter, "Do You Do You Dig Destruction" gehört sicher zu den stärksten Tracks auf "Retox".
Wenn sie in der Folge die Hand etwas vom Gashahn nehmen, etwa beim eher unzweideutigen "I Wanna Come", fühlt sich das nicht nur nach Entspannung an. Nein, es klingt sogar äußerst passabel. Und auch, wenn ich manchmal nicht wirklich im Detail über Hanks scheinbare sexuellen Vorlieben unterrichtet werden möchte, fährt "You Must Bleed/All Night Long" doch schön ins Glied, äh, in die Glieder.
"Hot & Filthy" klingt genauso, wie der Titel es verheißt: Ein Rock'n'Roll-Drecksaustück par excellence mit einer sexy Bridge, nach hinten raus drehen Turbonegro richtig auf! "Boys From Nowhere" hat die wohl beste Hookline, die ich seit langem von Turbonegro gehört habe. Das schwer rockende "Everybody Loves A Chubby Dude" fällt dagegen etwas ab. Mit goofy Synthesizern beginnt die Suche auf die Antwort nach einer fast schon philosophischen Frage: "What Is Rock!?"
Ein würdiger Abschluss für einen weiteren Ausflug in die schräg-schillernde Welt des sechs Deathpunk-Heroen. Turbonegro entwickeln sich von Album zu Album weiter. In Richtung Rock, aber nicht, ohne ihre ganz eigenen, homoerotischen Kanten beizubehalten. Wer immer noch auf ein weiteres "Apocalypse Dudes" wartet, soll sich doch ein Loch ins Knie bohren. Obacht, Fans: Es gibt eine Special Edition von "Retox", die zwei weitere Tracks enthält: "Back In Denim", im Original von Lawrence Hayward (Ex-Felt Sänger) und "Into The Void".
33 Kommentare
ich find das album nach x-mal hören ganz ok. aba irgendwie hat man sich doch recht schnell satt gehört. wenn ich dran denke wie oft ich "ass cobra" und "apocalypse dudes" gehört hab und immer noch gerne höre...naja.
irgendwie hat mich kein album nach der reunion 100%ig überzeugt. da sind immer einzelne nette ideen drauf, aber es zündet nie so ganz.
trotzdem würd ich jetzt retox mal vor scandinavian leather und party animals einreihen und hab daher mal 3 punkte vergeben, wobei eigentlich wären es 3,5 (aber das geht ja nicht )
Blubserl, du sprichst mir aus der Seele.
puh, davon hatten wir es auch neulich. meine reihenfolge: scandinavian leather, dann retox, dann party animals.
@San-Øligrino (« trotzdem gelungenes album vom fettsack from hell »):
ich hab mit dem album nix zu tun!
@scumsurfer (« man braucht nur "apocalypse dudes", eigentlich. »):
nene, ass cobra ist auch wichtig