laut.de-Kritik

Schweinische Hardrockschunkler im Freak-Out-Make-Up.

Review von

Lange, ja allzu lange ist es her, seit uns die viel geschminkten und weit gereisten Herren von Turbonegro mit einem ihrer sagenumwobenen Tonträger oder einem anders gearteten Lebenszeichen beglückten. Genauer gesagt war es, seit ihrem Split 1998, der wie die Legende besagt im Warteraum einer Mailänder Psychiatrie erfolgte, bis zur Reunion im Sommer letzten Jahres dunkel am Himmel der Turbojugend. Doch das Warten hat ein Ende: Mit "Scandinavian Leather" hauen uns die Denimrockers No. 1 endlich wieder neues Songmaterial um die blutigen Ohren.

Erfreulicherweise scheint die fünfjährige schaffensfreie Odyssee die Tat- und Manneskraft unserer Helden um Frontmann Hank von Helvete nicht im Geringsten beeinträchtigt zu haben. In Sachen Styling wie immer eine Offenbarung (siehe Booklet der CD!) wird mit perfektem Freak-Out-Make-Up eine reichliche Portion an ungeschminktem Rock'n'Roll in Albumform serviert, der, fett produziert, nahtlos an seine Vorgänger anknüpft.

Die skandinavische Lederparade anno 2003 schmeichelt sich traditionell mit einem derart kuscheligen Mystik-Intro durchs Hinterköpfchen herein, dass es selbst den Fantasy-Boys von HIM (oder doch HER?) die Tränen in die wimpergetuschten Äuglein treiben dürfte ... und dann startet die Bande sofort mit einem vielkehligen "Yeah Yeah Yeah Yeah Wohowohowoho" in "Wipe It Til It Bleeds" durch. Es folgt der gewohnte Höllenritt durch die Untiefen des Punk-Rock'n'Rolls (a.k.a. Deathpunk), den wir doch soooo lange schmerzlich vermisst haben: Ramones-Riffs, sonstiges Geballer, sleazige Mitgröhlrocker und schweinische Hardrockschunkler en masse; dazu gniedelt Euroboy sein übliches Dauergitarrensolo von Alpha bis Omega durch die strapazierten Boxen.

Auch textlich ist natürlich alles beim Alten geblieben: Lüstern-verzweifelte Darkroomfantasien wechseln sich mit aggressiven Fuck-You-All-Parts ab. Dabei ist dann selbstverständlich ebenso von Napalm-Huren, wie auch von einem Zug aus Fleisch die surreale Rede. Und es wird, Ehrensache, so dick aufgetragen, dass sogar die Zensurbehörde das Augenzwinkern im Dunkel der Seele bemerkt und neidvoll anerkennt, dass es sich hierbei um große Kunst handeln MUSS. Danke, Mann.

Apropos Kunst. Das Cover der Scheibe wurde von niemand geringerem als Klaus Voormann, seines Zeichens legendärer Schöpfer des Revolver-Covers der Beatles, entworfen. Respekt vice versa, offensichtlich. Und in der in echtem skandinavischem Eberleder gehaltenen Spezialedition wird zudem in einer bezaubernden Fotostrecke der unwiderrufliche Beweis erbracht, in welch bizarrer Manier die weltumspannende Turbojugend ihren spirituellen Herren huldigt. Hail to the St. Pauli T.J.!

Live zu bewundern ist die Chose endlich auch wieder. Hingehen wird aus (mindestens) zweilerlei Gründen wärmstens empfohlen, denn a) wo sonst bekommt man zu turbofettem Rock'n'Roll-Theater Goldregen aus dem Arsch eines Melonenträgers verabreicht und b) wer weiß, wie lange der gute Hank die zweite Staffel der mind blowin Real-Live-Serie "ein Leben als Frontmann von Turbonegro" unbeschadet übersteht. Hoffentlich noch lange, doch bis auf weiteres gilt es als Zwischenergebnis festzuhalten: Turbonegro must be destroyed. Es lebe die ewige Jugend.

Trackliste

  1. 1. Intro: The Blizzard Of Flames
  2. 2. Wipe It Til It Bleeps
  3. 3. Gimme Some
  4. 4. Turbonegro Must Be Destroyed
  5. 5. Sell Your Body (To The Night)
  6. 6. Remain Untamed
  7. 7. Train Of Flesh
  8. 8. Fuck The world (F.T.W.)
  9. 9. Locked Down
  10. 10. I Want Everything
  11. 11. Drenched In Blood (D.I.B.)
  12. 12. Le Saboteur
  13. 13. Ride with Us

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