laut.de-Kritik
Eine dunkle Straße mit Klavieren, Chören und vielen Gaststars.
Review von Markus Brandstetter"Have you looked at yourself? Have you thought about the mistakes you've made and about the road you've walked?", hört man die Stimme des schottischen Schauspielers Brian Cox fragen. Beinahe so, als wären wir im Beichtstuhl. Dazu baut sich eine verzerrte, elegische Orgel auf, ein bedrohlicher Bass pulsiert. Dann Stille – "This is your story", fährt Cox fort. Es ist nicht irgendeine Geschichte, sondern jene von UNKLE, dem 1992 von James Lavelle und Tim Goldsworthy ins Leben gerufenen und später um DJ Shadow bereicherten Projektes, das im Laufe seiner sechs Longplayer umfassenden Diskographie hochkarätige Gastmusiker wie Thom Yorke, Ian Brown, Mike D, Richard Ashcroft, Jason Newsted und zahlreiche andere mit an Bord hatte.
Auch diesmal hat sich Lavelle, der das Projekt mittlerweile gänzlich alleine trägt, bekannte Namen ins Studio geholt. Mit dabei auf "The Road: Part 1" sind unter anderem Fürst der Finsternis Mark Lanegan, Soulsängerin ESKA und Rapper Elliott Power, auch George Harrisons Sohn Dhani Harrison, Andrew Innes von Primal Scream und Jon Theodore von den Queens Of The Stone Age haben mitgewirkt.
Es ist eine dunkle Straße, durch die uns Lavelle auf diesem Longplayer führt, für den er sich sieben Jahre Zeit ließ – eine mit vielen Abzweigungen, Weggabelungen, apokalyptischen Wendungen. "Ich wollte keine Rock-Platte machen, keine Elektronik-Platte, keine Hip-Hop-Platte. Ich wollte einfach all jene Elemente nehmen, von denen ich denke, dass sie ein UNKLE-Album funktionieren lassen", erzählte der Musiker in einem Interview mit 'Under The Radar'. Er setzt aufs Getragene, Nachdenkliche, Sphärische – auf Klavier, gelegentliche Gitarreneinsprengsel, Chöre, viele Stimmschichtungen.
Das erste Stück des Weges beginnt mit einem elegischen Lebewohl: Das fieberhafte Chor-Stück "Farewell" klingt gleichermaßen melancholisch wie versöhnlich und gelassen und baut sich langsam auf. Kurz darauf gibt Mark Lanegan bei "Looking For The Rain" den sinisteren Propheten, beschwört den Donner, den Regen, die Katastrophe herauf. Die Dissonanzen der Violinen unterstreichen seine schwarze Prophezeiung. Schwere Chöre und Akustikgitarre changieren bei "Cowboys Or Indians" mit einer plötzlichen Umkehr in elektronische Beats, Synthesizer-Arpeggios und einem Rap-Part von Elliott Power. Immer wieder wechseln sich im Stück diese beiden Pole ab. Mit der Hip-Hop-Dosierung zeigt sich Lavelle auf der gesamten Länge eher sparsam. Auch Rock kommt auf "The Road: Part 1" nur selten zum Vorschein – zum Beispiel bei "Nowhere To Run/Bandits".
"The Road: Part 1" zeigt große Liebe zum Cineastischen – da passt es, dass Lavelle die Stücke des neuen Albums Fans in einem Kino präsentierte. "In space we roam", heißt es in einem Spoken-Word-Intermezzo der Platte, dem Gedicht "Iter 5 – Friend Or Foe". Wenn man schon glaubt, man hätte sich vor lauter Düsternis tatsächlich verloren, verspricht Liela Moss in einer atmosphärischen EDM-Nummer den immer wiederkehrenden Sonnenaufgang: "Sunrise Always Comes" heißt das Stück, das die Platte beinahe optimistisch in die Zielgerade geführt hätte – wäre da nicht das von Keaton Henson gesungene "Sick Lullaby", das uns ätherisch in die Ungewissheit entlässt.
Der Titel "The Road: Part 1" suggeriert, dass diese Reise noch weitergehen könnte – es bleibt also spannend, was Lavelle für den zweiten Teil dieser Odyssee einfallen wird.
1 Kommentar
Dank Lavelle und wie immer Gaststars eine fantastisch düstere Geschichte bis himmlisch musikalisch umgesetzt. Bin beeindruckt von soviel Genre Musik. Find's super.