laut.de-Kritik

Farbenfroher Drum'n'Bass ohne Scheuklappen.

Review von

Die süddeutsche Uni-Stadt Tübingen prangt schon seit einem guten Jahrzehnt in Fettdruck unübersehbar auf der hiesigen Drum'n'Bass-Landkarte und ist zu einer Art heimlicher Hauptstadt des Genres in Deutschland geworden. Verantwortlich dafür: die Santorin-Jungs um Labelchef Lightwood. Bereits in den tiefen Neunzigern jagten sie mit ihren Radioshows zeitgenössische Breakbeats über den Äther, und ihr Clubdauerbrenner "Pressure" - nicht zuletzt mehrmals im Jahr von Metalheadz-DJane Storm bespielt - lässt eh so manche Metropole neidisch auf das Studentenstädtchen am Neckar blicken.

Und dann ist da natürlich Santorin als Plattenlabel, das 2008 sein Zehnjähriges feierte. Mit Hausproduzent Simon V und dem Berliner Young Ax hat man zuverlässige Zugpferde im Stall, zudem gehören prominente und nicht prominente Künstler aus aller Welt zum Artistenpool der Tübinger. Dabei steht Santorin seit jeher für abwechslungsreichen Drum'n'Bass ohne Scheuklappen und einen Sound, der Tanzflächentauglichkeit, Musikalität und den Spaß an der Sache ganz leger verbindet.

Mit der vierten Ausgabe der Compilation-Reihe "Ambassadors" betätigen sich Lightwood & Co. erneut als Botschafter des guten Geschmacks und bringen Verträumtes und Ungestümes, Sperriges und Leichtes, Übliches und Unkonventionelles unter einen großen Hut. Simon V präsentiert sich wie gehabt als Meister des epischen Drum'n'Bass mit der ganz eigenen melancholischen Note und einem immensen unterschwelligen Druck in seinen implodierenden Arrangements, wie etwa im coolen "Cloudspotter". Immer besser auch als Produzent profiliert sich Santorin-DJ Telmo A, der bei seinen Remixen einmal mehr ein feinfühliges Händchen beweist und etwa mit seiner Interpretation von Kenshiros "Stir" einen lockerflockigen Ohrwurm allererster Kajüte aus dem Ärmel schüttelt.

Wilder zur Sache gehts etwa bei der oldschoolig-schroffen "Livin' Music" von Jungle-Veteran Bassface Sascha und Dub Taos Breakgewitter "Sideways", während die Wiener Concept & Shnek den Disco-Hammer ("Burning Up Inside") auspacken. Den Dancefloor fest im Griff haben auch die Kölner J-Cut und Kolt Siewerts mit ihrem "Flute Tune", der im vergangenen Jahr wohl zu den herzerfrischendsten Drum'n'Bass-Allzweckwaffen made in Germany gehörte.

Die großen Überraschungen kommen gleichwohl von anderer Seite, befördert das "Ambassadors"-Digipak mit seinen 27 Tracks (in der Download-Version kommen noch weitere 18 Stücke hinzu) doch das eine oder andere unentdeckte Talent zu Tage, das nicht nur Füllmaterial abliefert, sondern mitunter für die Highlights der Compilation sorgt. Parhelia aus St. Petersburg ist so ein Beispiel. In bester London Elektricity-Manier lässt der Russe Vogelgezwitscher und einen hypnotisierenden Piano-Loop zu einem deepen und druckvollen Blockbuster verschmelzen ("Birds are coming home").

Unter leichtem bis schweren Reggae-Einfluss stehen das zurückhaltende "Do It Irie" von The Green Man & MC LowQui und das beschwingte und supereingängige "Little Seed" von Cold Jazz & Wezzler. Perkussiv-minimal schließlich das Finale mit dem "Rhythm Track" von Simon V und Telmo A, Dan HabarNams feinem "Zoom Back Camera", sH1s tropisch-schwülem "Bangalore" sowie Naibus entspanntem Ambient-Stück "Yunmee". Gelungener Abschluss eines Rundum-sorglos-Pakets aus Drum'n'Bass in fast all seinen Farben und auf überwiegend hohem Niveau. Masse mit Klasse.

Trackliste

  1. 1. Concept & Shnek - Burning Up Inside
  2. 2. Camo Feat Jett - No Need To Rush
  3. 3. Young Ax - System Of Survival
  4. 4. Smote & Stunna Feat. Submorphics - Sweet Passion
  5. 5. Concept & Shnek - Cityheat
  6. 6. Simon V - Cloudspotter
  7. 7. Grimm - One For Me
  8. 8. Tyler Straub - Impatient
  9. 9. Hiten - The Grid
  10. 10. The Green Man Feat. MC LowQui - Do It Irie
  11. 11. Cold Jazz & Wezzler - Little Seed (feat Joey Fever)
  12. 12. J-Cut & Kolt Siewerts - The Flute Tune
  13. 13. Kenshiro - Stir (Telmo A Rmx)
  14. 14. Kaleb - Serene
  15. 15. Parhelia - Birds Are Coming Home
  16. 16. Denius - Not Belong Here (Telmo A Rmx)
  17. 17. Bassface Sascha - Livin' Music
  18. 18. Paul SG - Red Line
  19. 19. Telmo A - Still
  20. 20. Dub Tao - Sideways
  21. 21. Simon V - Hymnus II
  22. 22. Buzz - Subsonic
  23. 23. [NSF] Destroy2k & Sativa - Nautilus
  24. 24. Simon V & Telmo A - The Rhythm Track
  25. 25. Dan HabarNam - Zoom Back Camera
  26. 26. sH1 - Bangalore
  27. 27. Naibu - Yunmee

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