laut.de-Kritik
Très chic, trashig.
Review von Michael SchuhThomas Bohnet dreht auf. In jeder Hinsicht. Nachdem der Münchner DJ bereits seine berühmt-berüchtigten "Tour de France"-Parties erfolgreich nach Berlin exportierte, kamen mittlerweile Gastspiele in Konstanz, Köln, Frankfurt und mit St. Johann, Baden und Zürich (Liste unvollständig) auch Reisen nach Österreich und in die Schweiz hinzu. Freunde französischer Töne, die im angrenzenden Ausland leben, seine Parties aber dennoch verpasst haben, dürfen "Le Tour 2" nun bequem per Klick auf obigen Link "Preisvergleich" ordern und ihr schlechtes Gewissen besänftigen.
Dies ist eine Empfehlung. Denn in Zeiten, in denen jedes zweite Label eine wie auch immer geartete Franzosen-Werkschau veröffentlicht, steckt Connaisseur Bohnet knietief in der Szene und hat wahrscheinlich schon "Le Tour 3" im Kopf. Auf vorliegende Fortsetzung seiner "Sampler-Reihe passt jedenfalls erneut das im letzten Jahr sogar von der Süddeutschen Zeitung erteilte Lob, es würde "kenntnisreich und liebevoll" kompiliert. Heißt: Wir begegnen haufenweise Ohrwürmern diverser Genres, wie sie im französischen Radio dank nationaler Quote tatsächlich laufen könnten.
Wieder dabei ist beispielsweise das Trio Mickey 3D, das frei von Scheu vor Stilüberschreitungen in der Fußballer-Hommage "Johnny Rep" Gitarren, Akkordeon, Drumcomputer und Sprechgesang zusammen bringt, um am Ende im Stile eines Stadionkommentators gar ein wenig an Jacques Dutronc zu erinnern. Ebenso gelungen ist die vielsagende Nummer "Sex, Accordéon et Alcool" der Chanson-Rocker Java, eine Art musikalische Fortsetzung von Molotovs alter Groovenummer "Gimme Tha Power".
Die vier Köpfe hinter Phonoboy stammen dagegen nicht aus Frankreich, sondern aus München, was aber schon beim Szene-Hit "C'est Ma Vie" auf dem "French Cuts 2"-Sampler niemand bemerkt hat. Die Indie-Nummer "Laisser Faire" lässt wieder Keyboards zu Handclaps jubeln, und da macht man gerne mit. "Très chic, trashig" eben, wie auch ihr Debütalbum heißt.
Auch wenn Romeo mit "Petite Conne" wohl den eingängigsten Beitrag liefert, kommt der Smash-Hit des Albums für mich von den Prototypes, einem jungen Quartett aus Paris: Auf "Médicalement" leiht sich Sängerin Isabelle le Dousalle ein bisschen Girl Power der B-52s, von den Chicks On Speed gleich noch den Elektro-Wumms, und fertig ist der Disco-Hit. Dass die US-Band Nada Surf, die gerade Coralie Cléments Interesse an Rockmusik wach küsste, den Indochine-Klassiker "L'Aventurier" (1982) respektvoll covern würden, war natürlich eh klar.
Natürlich dürfen auch französische Sommer-Vibes nicht fehlen: Manu Chao-Fans sollten Tryo antesten, Reggae/Ska-Freunde fühlen sich bei Kana und K2R Riddim wohl, und mit den Rai-Poppern Sawt Et Atlas wird's dann richtig orientalisch. Insgesamt 17 Songs, verpackt im schicken Digipack sowie ausführlichem Booklet, die die ein oder andere Perle bereit halten.
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