laut.de-Kritik
Ich tanze, also bin ich!
Review von Michael SchuhIm Frankreich der 60er war die Welt noch in Ordnung. Zumindest nannte Amerika seine Pommes noch French Fries, obwohl auch Charles de Gaulle nicht gerade zimperlich mit der Weltmacht umging. Aber das hätte dem Volk des langen Weißbrots damals schon egal sein können, denn die French Fries kommen schließlich aus Belgien.
Auch bei In-Grids aktueller Dance-Hymne "Tu Es Foutu" verdächtigt der gepeinigte Ohrenzeuge sofort den Franzosen an sich, mais attention: Madame In-Grid ist Italienerin.
Im Geburtsland von Vanessa Paradis tummeln sich zwar immer mal wieder süße, kleine Leckerbissen wie Alizeé, an das Paris der glorreichen 60er Jahre kommt so schnell jedoch nix ran: Jean-Luc Godard, Claude Chabrol und Francois Truffaut revolutionierten das Kino; Jacques Dutronc, France Gall und Francoise Hardy überrollten die Charts. Alle drei Letztgenannten sind auf "French Cuts 2", der famosen French Pop-Fortsetzung aus dem Münchner Atomic-Stall, am Werk.
Am schönsten spiegelt sich das Lebensgefühl der damaligen Jugend in den Songtiteln von Antoine ("Ich sage was ich denke und ich lebe wie ich will") und von Schmollmund-Actrice Brigitte Bardot ("Ich tanze, also bin ich") wieder. Und während die Deutschen im Jahrzehnt des Wirtschaftswunders zu Peter Kraus und Bill Ramsey ausflippten, wuchsen im Nachbarland zarte Pflänzchen aus Beat, Brazil und Jazz, die dreißig Jahre später als Easy Listening-Tunes ein gefeiertes Revival erlebten.
Einige der guten Momente dieses Hypes firmieren als Anspieltipps dieser 27 Song starken Tour de Force, einmal mehr Dutronc, für den die Welt mal wieder nichts als ein stacheliger Kaktus ist ("Les Cactus"). Michel Polnareff befeuert den Groove von "La Mouche" herzhaft mit Bläsern, Percussions und Slide-Gitarre und Großmeister Serge Gainsbourg ist gleich zweimal vertreten (Groß: "Requiem Pour Un C").
Im Parcours der schönen Frauen obsiegt Madame Hardy knapp mit "Comment Te Dire Adieu", auch bekannt von Jimmy Somerville, vor Bardot, dem rockigen "Roller Girl" von Godard-Ehefrau Anna Karina und dem eher nervigen Schulmädchen-Report France Galls.
Zur erwähnten Hardy-Coverversion gesellen sich Petula Clark mit einer Kinks-Adaption und Leonard Herbert mit einem überflüssigen Remake vom alten Hippie-Schmock "Let The Sunshine In". Dann doch lieber die Tiger-Nummer "It's Not Unusual" auf französisch mit Sophie. Zu meckern gibts hier aber wie schon beim Vorgänger oder der "Shake Sauvage"-Compilation recht wenig. Die Vinyl-Version bietet gar noch einige Schmankerl mehr auf.
Insgesamt also ein durchaus leckeres French Dressing, das auch unseren amerikanischen Freunden munden könnte. Die Kalifornier von Smash Mouth fungieren hier als Vorschmecker. Für ihren Welthit "Walkin' On The Sun" klauten sie 1997 ganz dreist die Hookline bei Perrey & Kingsleys "Swan's Splashdown". Bon appétit!
Noch keine Kommentare