laut.de-Kritik

Tolle Verpackung, dürftiger Inhalt.

Review von

Die vorletzte Jahrhundertwende ging als eine beispiellos bewegte Zeit in die Geschichte ein. Überall machten sich die Avantgarden auf zu neuen Ufern, suchten nach Ausdrucksmitteln, die dem ins 20. Jahrhundert galoppierenden Zeitgeist angemessen waren. In der Malerei stieß Picasso mit einer nie gesehenen Farb- und Formensprache neue Türen auf und in der Musik läutete Claude Debussy mit "Prélude à l'après-mide d'un Faune" die Moderne ein. Auf "Replay Debussy" nun erweisen die Enkel ihrem musikalischen Ziehvater die Ehre. Schade, dass ihnen dabei jegliche Inspiration abhanden gekommen zu sein scheint. Debussy würde sich angesichts der auf "Replay Debussy" zu Tage tretenden Ideenlosigkeit wohl noch postum am liebsten die Ohren zustopfen.

Dabei ist der erste Eindruck von "Replay Debussy" alles andere als schlecht. Schön verpackt, weiß die CD bereits von dem Hören zu bestechen. Und auch die Namen derer, die Debussy ins 21. Jahrhundert holen, kann sich sehen lassen. Pierre Henry, der Erfinder der Musique Concrète ist dabei, ebenso wie Jamie Lidell, die eine Hälfte von Super Collider oder Japans Klassik-Pop-Star Ryuichi Sakamoto. Doch sie alle fallen der Kopflastigkeit des Projekts zum Opfer. Initiator Christian von Borries gab allen Künstlern drei musikalische Quellen mit auf den Weg. Die Grundlage für eine Neuinterpretation von Debussy. Einzige Einschränkungen: der Umgang mit den Quellen sollte für die Rezipienten hörbar sein und auf einen "steady beat" sei zu verzichten.

Diese Maßgaben haben sich die Interpreten sehr zu Herzen genommen und so finden sich auf "Replay Debussy" in der Tat keine Beats. Statt dessen dominieren konservative Arrangements der Quellen, denen ab und an noch ein paar Geräuschspuren beigemischt werden. Paul Paulan kontrastiert das Prélude mit Umweltgeräusche aus Nordindien, Jamie Lidell untermalt Debussy mit Kettengeräuschen seines Fahrrades und Alvin Lucier versteckt Mikrofone in alten Vasen und nimmt deren Schwingungen beim Abspielen des Préludes auf. Spannung kommt dabei kaum auf. Vielmehr herrscht über weite Strecken uninspirierter Pseudo-Avantgardismus vor.

Die einzige lobenswerte Ausnahme bildet Ryuichi Sakamotos Bearbeitung von Debussy. Er spielt mit der Dynamik des Originals, montiert die Quellen zu einem intensiven musikalischen Mantra, dessen Faszination sich der Zuhörer nicht entziehen kann. Für eine komplette CD ist ein einziger Lichtblick jedoch bei weitem zu wenig und so bleibt am Ende die Erkenntnis, dass Debussy im Original immer noch am Besten funktioniert.

Trackliste

  1. 1. Mangurekan / Elodie Bouchez - Auraton
  2. 2. Terre Thaemlitz - Prélude A L'Apres-Midi D'un Faune
  3. 3. Alvin Lucier - Amphorae
  4. 4. Jamie Lidell - Taught To Box
  5. 5. Paul Paulun - 29'57'N 78'10'E
  6. 6. Ryuichi Sakamoto - Sakamoto's Debussy
  7. 7. cvb/Dukas: La Plainte, Au Loin, Du Faune
  8. 8. Pierre Henry - Par Les Grèves...
  9. 9. Porter Ricks - Porter Ricks Mix
  10. 10. Panasonic SV-3800 - Used By Permission

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