laut.de-Kritik
Rhythmus alleine macht noch keinen guten Beat.
Review von Dani FrommDavid LaChapelle, eine Ikone in der Mode- und Portrait-Fotografie, ist unter die Filmemacher gegangen. Klar, dass er sich für sein Regie-Debüt ein fotogenes Thema wählt: Tanz hat sich schon immer spektakulär ablichten lassen, das wissen wir nicht erst seit "Flashdance". Damals erhielt die kinobegeisterte Welt durch den Auftritt der Rocksteady Crew einen ersten Eindruck davon, wozu B-Boys fähig sind. Wenn man so will, dokumentiert "Rize" mit der in Los Angeles auf dem Vormasch befindlichen Krumping- und Clowning-Szene den aktuellen Stand der Dinge.
Hölle und Verdammnis, können diese Mädels und Jungs tanzen! Ob das Material genug für einen abendfüllenden Plot hergibt, sei dahin gestellt - die Verbindung aus absurder Geschwindigkeit, Koordination und gestählten Oberkörpern lässt einem schon mal kurzzeitig den Schweiß ausbrechen. Darum geht es allerdings gar nicht. Wir sollen uns hier schließlich mit den Freuden fürs Ohr, nicht etwa mit denen fürs Auge befassen - was schade ist: Ohne die Bilder funktioniert der Soundtrack zu "Rize" nämlich leider nicht. Tanz als Alternative zum Ganglife ist Thema des Films.
Man kann Fili Stylz, der den Großteil der anstehenden Raps bestreitet, deshalb nur bedingt zum Vorwurf machen, dass er sich inhaltlich weitgehend auf dieses Thema beschränkt. Die Titel der Tracks lassen es bereits ahnen: "Clownin' Out", "I Krump", Get Krumped" und "Make You Dance" heißt es da; klar, dass da eher keine tiefschürfenden Consciousness-Lyrics zu erwarten sind (richtige Annahme). In "Break It All Down" wird ausgiebig aufgefordert: "Krump down, break it all down!" Die Frage "You wanna battle with me?" ist da beinahe nur noch eine rhetorische. Spannend ist das nicht.
Die musikalische Seite hilft auch nicht viel. Okay, Fili Stylz bleibt ordentlich auf dem Beat, was bei dem in aller Regel eher gedrosselten Tempo der Tracks allerdings keine übertriebene Herausforderung darstellt; bezüglich seines Reimflusses gehört Fili Stylz nicht annähernd zu meinen Favoriten. Die zugehörigen Instrumentals, überwiegend von Red Ronin produziert, reißen vermutlich niemanden so wirklich vom Hocker: Dominante Rhythmen lassen zwar schon den einen oder anderen Kopf nicken - nachvollziehbar, dass dazu getanzt werden will - Rhythmus alleine macht allerdings noch keinen guten Beat.
Eindimensionale Synthie-Klänge, wohin man schaut, dazu wird bei jeder sich bietenden Gelegenheit (und das sind viele!) durchgeladen und geschossen, bis man meint, man säße auf dem Logenplatz eines Truppenübungsplatzes. "Get Krumped" (zur Abwechslung mal ein anderer Produzent: Bloezart) erweist sich als ein wenig vielschichtiger, allerdings fehlt hier bei allen Streicherklängen dafür die Macht in den Bässen. Es ist ein Jammer.
Die Erklärung, warum Christina Aguileras Popmusik-Schnulze "Soar" eingebaut werden musste, KANN nur in der Handlung des Films liegen - stilistisch hat die Nummer der zugegebenermaßen stimmgewaltigen Lady mit dem Rest genauso wenig zu tun, wie die tief aus der Klassikerkiste herausgekramte Hawkins-Singers-Gospel-Hymne "Oh Happy Day", "By And By" von Five Blind Boys Of Alabama, zu dem man tatsächlich Walzer (!) tanzen könnte, oder der an und für sich gelungenen "Amazing Grace"-Version von Alice Ridley. Hallo? Trifft hier ein Zufallsgenerator die Songauswahl?
Wenn ja, so handelt es sich um einen mit ausgesprochen miserablem Geschmack. Sollte jemand eines handfesten Beweises bedürfen, dass die 70er Jahre Scheußlichkeiten hervor gebarcht haben: Voilà, die Caravans! Wer sich bei dieser mit Operettensängerinnenstimme zu Hammondorgelsound vorgetragenen Preiset-Den-Herrn-Hymne nicht übergeben möchte, muss taub sein und ist in dieser speziellen Ausnahmesituation absolut zu beneiden.
Ein Highlight gibt es allerdings doch. Ein einziges zwar, doch dafür ein echtes Bonbon: Was Dizzee Rascal in dieser Zusammenstellung zu suchen hat, erschließt sich zwar auch nicht. Doch wie mein kluger Brieffreund zu schreiben pflegt: "Wenn es Ihnen gut geht, fragen Sie nicht. Das vergeht." Besser also nicht fragen und sich statt dessen an "Fix Up, Look Sharp" freuen: Dizzee liefert zu wuchtigem, geradlinigem Beat und einem Sample aus Billy Squiers "Big Beat" mit vertraut überschnappender Stimme durchgeknallte Raps. Das ganze Album rettet er mit diesem Hammertrack allerdings auch nicht.