laut.de-Kritik
Danke, Scheibe, du hast Spaß gemacht
Review von Miriam WolffCompilations machen nur dann Spass, wenn der Macher seinen Job versteht. "Soulsville" ist vom krassen Typ mit der alternativsten Frisur, die sich ein normaler Mensch nur ausdenken kann. Er heißt Eddie Piller, und er versteht ihn, den Job.
Anders als es bei seinem Heimlabel Acid Jazz Records seine Gewohnheit zu sein scheint, sind die hier von Eddie-Freddie zusammengeschraubten Künstler keine Unbekannten. Eines der Aushängeschilder, der Bürgerrechts-Soulfather Isaac Hayes, preist gleich zweimal den Titel der Scheibe. Mit je einer Studio und einer Live-Version der Toleranzhymne. Sein Oscar behängtes "Theme From Shaft" ist wohl auch obligatorisch. Und weitere Künstler wie Rufus Thomas, Otis Redding, Johnny Taylor und eine der wenigen 'hautfarbengemischten' Bands, Booker T. & The MGs, sind gleich mehrfach vorhanden. Warum?
Nun, diesmal wird sich Stax und seinen größten Schätzen gewidmet, denn Stax hat ein Museum gebaut, und dies gilt es mitzufinanzieren. Stax, bei dem die Civil Rights-Bewegung ihre Ausprägung in der Musik findet, befindlich in Downtown/Memphis Tennessee - "Soulsville" genannt. Neben dem oft als kommerziell abgewatschten Motown gilt Stax als Das Soul-Label schlechthin. Die Schmacko-Soullady Linda Lyndell schockt als Erste durch herausragende Qualität. Mit einer Baumwollfeld-Superfunk-Version von "What A Man", die soundtechnisch eine wahre Wonne ist. Außerdem weiß man jetzt endlich, wo Salt'n Pepper diesen unglaublichen Groove gemopst haben.
Dass man immer wieder stutzt, weil einem Dinge irgendwie "teil-bekannt" vorkommen, passiert in den folgenden 80 Minuten ein paarmal. Fettbacke Uncle Kracker wird durch Johnnie Taylor entlarvt. Das im Bluesbrothers-Film ständig ablaufende Instrumentalkisten-Thema "Time Is Tight" kennt man auch, hat es aber noch nicht in seiner gesamten Wahrhaftigkeit wahrgenommen. Booker T. & The MG's grooven einem hier mit einer wahren Monsterversion das Ohr ab. Mit ihrer feinst-brachialen Art feiern sie eines der Lieblingsinstruments des Soul, die Orgel.
Und man freut sich weiter über die Staple Singers, die mit ihrem schlichten und eingängigen Unisonogesang über Tuckergrooves "Respect Yourself" freudig reinlaufen. "Mister Big Stuff" von Jean Knight treibt einen zum Feminismus ("Who Do You Think You Are") und dazu, Bassist werden zu wollen. Einer mit nur einem Finger, oder vielleicht auch mehreren, aber einer, der es nicht für nötig hält mehr als einen zu benutzen um schweinecool zu grooven. Je öfter die Scheibe rotiert, und das tut sie ohne Probleme mehrmals hintereinander, desto mehr entdeckt man, wie CDs mit guter Mucke sein sollen. Feinheiten, die manchen dieser Zuckerstücke ganz zu Recht den Lohn der Bekanntheit verholfen haben. Einige von ihnen haben es auf jede noch so schlechte Compilation geschafft.
Stellt sich die Frage, wie diese Scheibe zu bewerten ist. Soulfreunde dürften einen Großteil der Songs sowieso besitzen, geschenkt isses aber verdammt ok. Nicht-Soulfreunde sollen halt keinen Soul hören und andere Museen unterstützen. Für alle Normalen ist es ein schicker Einblick in die Aushängeschilder von Stax.
So voraussehbar diese Scheibe auch anfangs gewirkt haben mag, dank Eddie Piller stutzen manchmal selbst diejenigen, die die Trackliste gelesen haben und dachten, alles zu kennen. Da tun sich Rätsel auf, zum Beispiel, warum beispielsweise "Sittin On The Dock Of The Bay" so frisch klingt. Und siehe da. Alternative Takes sind etwas schönes. Und gut Zusammengeschraubtem gegenüber bin ich auch stets dankbar. Und 80 Minuten gute Mucke find ich auch gut, also "Danke, Scheibe, du hast Spaß gemacht".
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