laut.de-Kritik
Moshen und schmusen unterm Weihnachtsbaum.
Review von Benjamin FuchsWas für ein schauriges Cover: Ein halbnackter Baum, bekleidet nur mit einer bunten Lichterkette, dazu zucken Blitze vom zartrosa schimmernden Himmel. Eine verlaufende "Christmas"-Schrift sagt "Vorsicht, böse" und ist damit ähnlich verspukt wie der Vorspann der Addams Family. Zum Teil setzt sich das auch im Inneren der "Taste Of Christmas"-Compilation fort. Böse klingt anders. Manch eine Band bemüht sich zwar um Distanz zum Fest, klingt dabei aber oftmals gekünstelt.
The Used-Barde Bert McCracken gehört zu den pflegeleichteren Vertretern unter den vermeintlichen Haudrauf-Gangs. Mit dem Street Drum Corps sorgt er durch "Happy Christmas (War Is Over)" und einer Schlagseite in Richtung Kitsch für die Eröffnung des gitarrenlastigen Weihnachtsringelreihens. Schon Lennons Original war grenzwertig, und viel Neues fügt das Corps im Update nicht hinzu.
Neben The Used finden sich noch illustre Bands wie Funeral For A Friend, Emery oder From First To Last auf der Platte. Alle 18 Tracks sind nur auf "Taste Of Christmas" zu haben, und trotzdem stellt sich die Frage, was man eigentlich damit soll. Müssen Funeral For A Friend das "Miracle Of Christmas" besingen? Roses Are Red covern in besserer "Punk Chartbusters"-Manier Wham!s "Last Christmas". Wirklich hörenswert sind auf diesem Sampler wirklich nur eine Handvoll Songs.
Skindred musizieren sich mit ihrem originellen "Jungle Bells" in der Spitzengruppe, setzen auf rotzige Gitarren und Dancehall-Elemente. "Christmas Evil" von Opiate For The Masses springt wie ein völlig überdrehter Marilyn Manson auf einem Speed-Koks-Wischmop-Cocktail geradewegs aus den Boxen, um dem Hörer ordentlich die Gehörgang frei zu schrubben. Ein Kobold von einem Song. Auch From First To Last geben auf ihrem "Christmassacre" ordentlich Gas.
Was aber zum Teufel veranlasst irgendeine dieser Bands dazu, einen Weihnachtssong einzuspielen und damit so etwas wie den Rock- oder Swing- Christmas" für 15-jährige Moshkids zu liefern? Ist eine solche Zusammenstellung in irgendeiner Weise wertvoller oder origineller als die mit Bryan Adams, Queen und Boyz II Men?
"Taste Of Christmas" ist sicherlich für eine andere Zielgruppe gemacht, aber das Prinzip bleibt das Gleiche. Man möchte eine Alternative zu dem traditionellen Weihnachtsgedudel und sucht sich eben eine Nische. Was bleibt? Die Gewissheit, dass eine klare Dreiviertelmehrheit der Bandmitglieder dennoch ihre Nische verlassen wird, einen Weihnachtsbaum aufstellt, sich abschminkt, die Haare kämmt und mit ihren Eltern lecker Spekulatius isst, egal ob sie hier ein Christmassacre oder weihnachtliche Einsamkeit propagiert.
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