laut.de-Kritik
Gelungene Umsetzung der Botschaft Jesu bzw. Kinski.
Review von Martin MengeleIm Jahre 1971, in einer revolutionären Zeit, als Slogans wie "Make love not war" entstanden und die Studentenrevolution noch in vollem Gange war, trat der Skandalschauspieler Klaus Kinski mit einem für seine Begriffe revolutionären Programm auf die Rezitationsbühne. Kinski hatte gerade eigenhändig das Neue Testament für eine mehrstündige Ein-Mann-Bühnenperformance umgearbeitet. Am 20.11. 1971 war die Premiere der "Jesus-Christus-Erlöser-Tournee", die Kinski zunächst durch ganz Deutschland und später in die restliche Welt führen sollte. Das Projekt stand unter keinem guten Stern, da die Kirche schon vor Tourneebeginn mit Boykott und Protest drohte. Nachdem es bei der Premiere zu schweren Ausschreitungen im Publikum kam und Kinski die Vorstellung zweimal abbrechen musste, wurde daraufhin die ganze Tournee abgesagt.
Die Hamburger Produzenten von Boogie Park hatten nun die Idee, einzelne Textpassagen aus diesem beispiellosen Bühnenauftritt zu vertonen. Sie luden dazu DJs und Künstler der heimischen Musikszene ein, sich einen passenden Soundtrack einfallen zu lassen. Dabei kam der recht bemerkenswerte Tonträger "The Kinski Files" heraus.
Kinski hatte damals den hehren Anspruch, in einer modernen Predigt den Menschen die Botschaft Jesu wieder näher zu bringen. Mit dieser CD konnten die Künstler eine Fortsetzung diese Anspruchs erreichen. Natürlich bleibt bei den kurzen Loops und Samples nicht viel übrig von Kinskis ursprünglicher Aussage. Und ob die Botschaft Jesu in den Clubs überhaupt jemand hören will, mag dahin stehen. Zumindest sind Kinskis Worte in einem modernen Gewand verpackt und stehen vor allem dem jungen Publikum offen.
Besonders hervorzuheben wäre hier Thomas D, der sich am Klavier sehr ambient gibt und dadurch der etwas theatralischen Performance Kinskis den Wind aus den Segeln nimmt. Mit gewohnt sphärischen Klangwelten experimentiert auch Schiller. Die weichen Beats seines "Glücklich" plätschern lässig so aus den Lautsprechern und stimmen einen auch so. Mijk van Dijk lässt Jesus auf die Tanzfläche raus und bewegt seine housigen Beats rund um Kinskis prophetisches "Jesus ist da!". Etwas düsterer wird es mit Stereojack & Mike Planet. "Ihr werdet weinen!" geht schon sehr in Richtung Industrial, was durch Kinskis energische Stimme nur unterstrichen werden kann. Als einzige fallen Tobitob & Ferris MC aus dem technoiden Rahmen. Für ihren eigenen Sprechgesang bauen sie aus Kinski-Samples einen groovigen Refrain.
Man kann natürlich kritisieren, dass profane Technomusik, der meist außer einem dümmlichen "Shake your ass" die Worte fehlen, keine angemessene Grundlage für Kinskis Worte ist. Aber wenn es darum geht, Menschen auf das Thema Jesus in zeitgemäßer Weise hinzuweisen und neugierig zu machen, dann ist dies doch sehr gelungen. Aber was hätte Kinski wohl dazu gesagt? "Wehe, ich hau dem Geschmeiß die Fresse ein!"
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