laut.de-Kritik
Feuershow und Fleischbeschau beim größten Metal-Festival der Welt.
Review von Michael EdelePünktlich zum gerade über die Bühne gegangenen Wacken 2009 erscheint der DVD-Rückblick auf das Geschehen des vergangenen Jahres. Wie zuvor hat es sich die Crew des größten Metal-Festivals der Welt nicht nehmen lassen, eine Großzahl der auftretenden Bands in Bild und Ton festzuhalten und zudem einen kleinen Überblick über das Drumrum der ganzen Sause zu geben.
Der hält sich dieses Mal aber in relativ engen Grenzen, was manch einer bestimmt bedauern wird. Immerhin gilt Wacken bei seinen Fans ja nicht nur wegen der auftretenden Bands als so ein besonderes Spektakel, sondern vor allem, weil in dieser Zeit im Metallervolk und der bei der Wacken-Bevölkerung schlicht Ausnahmezustand herrscht. Mehrere Dokus und Berichte von und über Wacken sprechen Bände.
Die Besucher machen einen fast ebenso großen Anteil am legendären Ruf des Festivals aus und sollten entsprechend in Szene gesetzt werden. Ganz ohne schicken Wacken Records die DVD dann aber doch nicht ins Rennen. So gibt es wieder diverse Skurrilitäten zu bewundern, nicht nur was Klamotten und sonstigen Kram angeht. Dass einer als Zelt aufs Festival geht, ist schon … äh … was auch immer. Und ja, drei Schwedinnen nur mit Alu auf den Titten: Solches ist modisch eigentlich nie ungeschickt eingesetzt.
Einmal mehr wird die ganze Infrastruktur und die Aufbauarbeiten beleuchtet. Der Aufwand ist wirklich enorm. Wer die Wacken-Doku noch nicht gesehen hat, kommt auf dieser DVD in den Genuss der ganz eigenen Atmosphäre samt Marschmusik-Verein und massiver Fan-Flut, sobald die Pforten öffnen. Zwischen den Songs sind immer wieder Interviews eingestreut, wobei das von Sabina Claassen mit Gary Holt zu den besten zählt. Hin und wieder fallen die unglücklichen Schnitte auf, so beim Gespräch mit Peter Dolving von The Haunted.
Die sogenannten "Wackenlympics" glänzen vor allem durch "Extreme Bullshit Talking" und natürlich den "Extrem Jazzdance" (Circle Pit), bzw. "Extreme Squaredance" (Wall Of Death). Wenn man 2.100 Crowdsurfer bei einer Band verzeichnen kann, geht das schon als ein Ereignis durch. Davon bietet auch der Campingplatz genügend. Was es da alles an Aufbauten gibt: der Wahnsinn. Und dass die Wahnsinnigen von überall, sogar von Hawaii und aus Brasilien herkommen, ist mittlerweile ja kein Geheimnis mehr.
Nicht zu vergessen natürlich die Bands! Der Airbourne-Sänger hat auch nicht mehr alle am Hut. Klettert erst zehn Meter in der Lichttraverse hoch und spielt dann da weiter fröhlich solo, macht den Tarzan und beschert sämtlichen WOA-Crewarbeitern wohl den Herzinfarkt ihres Lebens. Wie ein echter Circle Pit auszusehen hat, sieht man bei Job For A Cowboy. Sowas passiert in der Form nur in Wacken, wobei sich Exodus auch nicht beklagen dürften.
Allein schon wegen der Aufnahmen zum Cynic-Song "How Could I" lohnt sich die ganze DVD. Dieser Song ist ein gottverdammtes Lehrstück in Sachen Musik! Auch wenn Gitarrist und Sänger Paul Masvidal sein Plektron wie ein Mädchen wirft. Warum sowas wie Van Canto aber auf die DVD muss oder überhaupt auf eine Bühne darf, versteh' ich nach wie vor nicht.
Die Namensänderung von Gorgoroth in God Seed muss wirklich auf den letzten Drücker passiert sein, denn das Urteil, das Gaahl und King in Sachen Namensrechte leer ausgehen ließ, ist schließlich noch nicht sooo alt. Von der Feuershow und Fleischbeschau (im wahrsten Sinne des Wortes) gibt es auch gleich zwei Songs zu sehen. Kunst sollte man nicht erklären, da hat Gaahl schon recht. Doch wo zieht man die Grenze?
Von Crematory mag man halten, was man will, aber Felix macht das schon richtig. Die Fanmasse vor der Bühne gibt der Band in allem was sie tut, recht. Eine der heimlichen Hauptattraktionen auf Wacken 2008 waren mit Sicherheit die reformierten Carcass, doch muss man schon feststellen, obwohl sich bei den Engländern doch einige Spielfehler und Unsauberkeiten eingeschlichen haben, was die Gitarrenarbeit angeht.
Das kratzt im Endeffekt aber keinen, denn Wacken ist schließlich Wacken und das mittlerweile schon 20 Jahre lang. Mal sehen, was die nächsten zwei Dekaden so bringen.
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